Leitsatz (amtlich)
In Fällen des "LKW-Abstandsverstoßes" gegen § 4 Abs. 3 StVO reicht es zur Tatkonkretisierung im Bußgeldbescheid aus, wenn zur Höhe der gefahrenen Geschwindigkeit und zu der Abstandsstrecke der Wortlaut der TBNR 104636 einkopiert ist. Genauere Angaben mögen wünschenswert sein, sind aber nicht zwingend notwendig. Ein Verfahrenshindernis besteht in solchen Fällen nicht.
Tenor
Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Unterschreitung des erforderlichen Sicherheitsabstandes zu einer Geldbuße von 160 EUR verurteilt.
Ihm wird gestattet, die Geldbuße in monatlichen Teilbeträgen von EUR 20 jeweils bis zum 5. eines Monats, beginnend mit der Rechtskraft des Urteils, zu zahlen. Diese Vergünstigung entfällt, wenn ein Teilbetrag nicht rechtzeitig gezahlt wird.
Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffene (§§ 4 III, 49 StVO , 24 StVG, 2 BKatV).
Tatbestandsnummer 104 636
Gründe
Der Betroffene ist verheiratet und Vater zweier Kinder im Alter von 4 und 7 Jahren, welche beide in seinem Haushalt wohnen. Von Beruf ist er Berufskraftfahrer. Zu seinen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen hat er auf ausdrückliche Nachfrage des Gerichts angegeben, dass diese zwar gesichert seien, eine Ratenzahlung aber hilfreich wäre.
Ausweislich des Verkehrszentralregisterauszuges ist der Betroffene
wie folgt vorbelastet:
1.
Am 23.02.2009(Rechtskraft:18.03.2009 setzte der Kreis Unnagegen d. Betroffenen wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes eine Geldbuße von 40 Euro fest.
2.
Am 07.05.2009(Rechtskraft:26.05.2009 setzte der Kreis Unnagegen d. Betroffenen wegen eines Ladungssicherungsverstoßes eine Geldbuße von 100 Euro fest.
3.
Am 26.10.2009(Rechtskraft:13.11.2009 setzte das Amtsgericht Unnagegen d. Betroffenen wegen eines Überladungsverstoßes eine Geldbuße von 235 Euro fest.
4.
Am 17.08.2010(Rechtskraft:04.09.2010 setzte der RP Kassel gegen d. Betroffenen wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes eine Geldbuße von 200 Euro fest.
5.
Am 08.02.2011(Rechtskraft:24.02.2011 setzte die Stadt Hamm gegen d. Betroffenen wegen eines Überholverstoßes eine Geldbuße von 110 Euro fest.
Am 03.05.2012 um11:40 Uhr befuhr der Betroffenen mit einem LKW mit dem amtlichen Kennzeichen XX-XX-XXX die Bundesautobahn 1 in Ascheberg in Fahrtrichtung Dortmund. Im Bereich Kilometer 302, 450 betrug sein Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug bei einer nach Toleranzabzug von 3 km/h gefahrenen Geschwindigkeit von 80 km/h allenfalls 38 Meter. Bei Beobachtung der erforderlichen und ihm auch zumutbaren Sorgfalt hätte der Betroffene anhand der Länge der Fahrtstrecke mit ähnlich geringem Abstand auch schon vor Eintritt in den Messbereich der Autobahnpolizei am Tatort erkennen können und müssen, dass er den erforderlichen Sicherheitsabstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug erheblich unterschritt. Er wurde hier mittels gültig geeichten und entsprechend der Bedienungsanleitung des Geräteherstellers von dem Polizeibeamten A eingesetzten Messgerätes VKS 3.01 - Softwareversion 3.1 "Select" des Herstellers Vidit GmbH gemessen.
Die vorstehenden Feststellungen beruhen auf der nach Maßgabe des Hauptverhandlungsprotokolls durchgeführten Beweisaufnahme.
Der Betroffene hat eingeräumt, Fahrer zur Tatzeit gewesen zu sein. An die Tat konnte er sich sonst nicht erinnern. Der Bußgeldbescheid sei aber zu unkonkret, da nur der Tatbestandstext der TBNR 104636 des bundeseinheitlichen Tatbestandskatalogs wiedergegeben sei, nicht aber die konkret gefahrene Geschwindigkeit und der eingehaltene Abstand.
Die Abstandsmessung selbst ist auch ordnungsgemäß durchgeführt worden. Die Abstandsmessung wurde durch den Polizeibeamten Aust mittels des Verkehrskontrollsystems des Herstellers VIDIT VKS 3.01, Softwareversion 3.1, sog. "Select-System" durchgeführt. Die Abstandsmessung mit dem Verfahren VKS 3.1 ist ein so genanntes standardisiertes Messverfahren im Sinne von BGHSt 39, 291 = NJW 1993, 3081 (vgl. bereits OLG Dresden, VRR 2005, 315 zur alten Technik des VKS 3.0). Unter diesem Begriff ist ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren zu verstehen, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (BGH NJW 1998, 321). Das System ermöglicht es, aus einer Videoaufzeichnung Geschwindigkeiten von Fahrzeugen und deren Abstände zu vorausfahrenden Fahrzeugen zu bestimmen. Das Tatvideo wird mit Hilfe eines Computerprogramms ausgewertet. Die Abstands- und Geschwindigkeitsmessungen werden im Tatvideo mit einer Messlinie durchgeführt, bei welcher es sich um eine in das Videobild gerechnete, quer zur Fahrbahn gelegte Linie handelt. Aus dem Charakter als standardisiertes Messverfahren folgt, dass der Tatrichter grundsätzlich neben dem angewendeten Messverfahren VKS 3.01 nur die gemessene Geschwindigkeit nebst Toleranzabzug sowie den ermittelten vorwerfbaren Abstandswert feststellen muss. Ausführungen zur Beachtung der Verfahrensbestimmungen muss der Tatrichter im Urteil erst dan...