Tenor
1. Es wird festgestellt, dass der Umlaufbeschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft … verkündet am 25.01.2022, nichtig ist.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Streitwert: 7.500,00 EUR
Tatbestand
Die Klägerin ist Miteigentümerin der Wohnungseigentumseinheit Nr. 3 der Wohnungseigentümergemeinschaft …. Sie errichtete im Jahr 2021 einen Balkon, der auf einem entsprechenden Beschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft aus dem Jahr 2013 beruht. Allerdings brachte die Klägerin über dem Balkon eine Überdachung und auf der rechten Seite einen Windschutz an. Hierzu hat die Eigentümergemeinschaft am 23.11.2021 unter TOP 7 Nr. 1 folgendes beschlossen (BI. 17):
„Balkonanbau … Nicht vom Beschluss gedeckte Anbringung eines Daches und Seitenwände.
Der Anwalt von … hat sich am heutigen Tag mit dem Anliegen an den Verwalter gewandt: nach altem und neuem Recht leitet sich der Anspruch auf Beseitigung einer ungenehmigten baulichen Veränderung vom § 1004 (1) BGB ab. Anspruchsinhaber war und ist jeder einzelne Wohnungseigentümer, der diese Beseitigung eigens und notfalls per Klage durchsetzen konnte.
Nach neuem WEG-Recht übt jedoch nunmehr gern. § 9a (2) WEG die Gemeinschaft die Rechte der Wohnungseigentümer aus. Die Durchsetzung dieser Rechte kann vom Wohnungseigentümer gern. § 18 (2) Nr. 2 WEG von der Gemeinschaft verlangt werden. Hierzu wäre ein Beschluss zu fassen, ob die Gemeinschaft von … die Beseitigung der mutmaßlich widerrechtlich angebrachten Balkonteile (Überdachung, Seitenteile) verlangt und dies notfalls unter Einlegung von Rechtsmitteln durchsetzt.
Da dieser Punkt nicht auf der Tagesordnung steht, wäre ein derartiger Beschluss anfechtbar. Um aber nicht erneut eine Eigentümerversammlung nur mit diesem einen Punkt einberufen zu müssen, was in der Pandemie schlicht unzumutbar wäre, schlägt der Verwalter vor, diese Beschlussvorlage per Umlaufbeschluss gern. § 23 Abs. 3 WEG zur Abstimmung zu stellen. Die Abstimmung ergibt folgendes Ergebnis:
Ja-Stimmen: 9 |
Nein-Stimmen: 0 |
Enthaltungen: 1 |
Die Beschlussvorlage wird mit Stimmenmehrheit angenommen und per Umlaufbeschluss gern. § 23 (3) WEG zur Abstimmung gestellt, ob die Gemeinschaft von … die Beseitigung der mutmaßlich widerrechtlich angebrachten Balkonteile (Überdachung, Seitenteile) verlangt und dies notfalls unter Einlegung von Rechtsmitteln durchsetzt.”
Daraufhin wurde ein Beschluss im Umlaufverfahren gefasst. Der Verwalter teilte den Wohnungseigentümern mit Schreiben vom 25.01.2022 (BI. 4) folgendes mit:
„Beschlussverkündung am 22.01.2022 der Beschlussvorlage vom 05.01.2022:
Die WEG … verlangt von …, Eigentümerin der Wohnung Nr. 3 im … links die Beseitigung der im April bis Mai 2021 mutmaßlich widerrechtlich angebrachten Balkonüberdachung und Balkonseitenteile und ermächtigt den Verwalter … die Beseitigung unter Einlegung von Rechtsmittel durchzusetzen, sofern nicht nach angemessener Frist (14 Tage nach Beschlussverkündung) eine Erklärung zur freiwilligen Beseitigung erfolgt.
Ja-Stimmen: 4 |
Nein-Stimmen: 0 |
Enthaltungen: 3 |
Vorstehende Beschlussvorlage ist somit mit Stimmenmehrheit gern. § 23 (3) Satz 2 WEG beschlossen.”
Die Klägerin trägt vor, dass gern. § 23 Abs. 3 Satz 1 WEG ein Beschluss auch ohne Versammlung dann gültig sei, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluss in Textform erklärten. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG könnten die Wohnungseigentümer beschließen, dass für einen einzelnen Gegenstand die Mehrheit der abgegebenen Stimmen genüge. In der Eigentümerversammlung vom 23.11.2021 sei durch die Wohnungseigentümer unter TOP 7 Nr. 1 nicht beschlossen worden, welche Variante des § 23 Abs. 3 WEG denn nun für den von der Verwaltung zu initiierenden Umlaufbeschluss Anwendung finden sollte. Durchgeführt worden sei ein mehrheitliches Umlaufbeschlussverfahren gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2 WEG, welches jedoch zuvor nicht beschlossen worden sei, denn im Beschlusstext fehle der eindeutige Hinweis darauf, dass „ein mehrheitliches Umlaufbeschlussverfahren” durchgeführt werden solle. Der Umlaufbeschluss sei deshalb nichtig.
Unabhängig hiervon entspreche der Beschluss auch inhaltlich nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, da er weder die Kosten des „Rechtsmittels” für die Beschlussumsetzung, noch die Finanzierung dieser anfallenden Kosten regele.
Die Klägerin beantragt:
1. Der Umlaufbeschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft …, verkündet am 25.01.2022, wird für nichtig erklärt.
hilfsweise wird weiter beantragt:
2. Der Umlaufbeschluss der Wohnungseigentümergemeinschaft … verkündet am 25.01.2022 wird für ungültig erklärt.
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beklagte trägt vor, dass sich der Beschluss an die Vorgaben der Ermöglichung der BeSchlussfassung im Umlaufverfahren in TOP 7 der Eigentümerve...