rechtskräftig

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass der Umlaufbeschluss zur Genehmigung der Abrechnungsspitze 2021, verkündet mit Schreiben vom 21.12.2022, nichtig ist.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 32.991,45 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit eines Umlaufbeschlusses.

Der Kläger ist als Eigentümer der Wohnung Nr. 24 mit einem Miteigentumsanteil von 38,38/1000 und eines Garagenstellplatzes mit einem Miteigentumsanteil von 1/1000 Mitglied der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft, die von der … verwaltet wird.

In der Eigentümerversammlung vom 26.07.2022 wurde unter TOP 5 einstimmig folgender Beschluss gefasst:

„Da die Jahresabrechnung 2021 zum Versand der Einladung noch nicht vollständig war, soll diese nachträglich durch einen Umlaufbeschluss mit folgendem Wortlaut beschlossen werden:

Die sich aus den Einzelabrechnungen 2021 (vom 21.06.2022) für Wohnungen und Tiefgaragenstellplatz ergebenden Nachschüsse (= Nachzahlung) in Gegenüberstellung zu den Vorschüssen (= Guthaben) aus den gültigen Einzelwirtschaftsplänen, werden genehmigt. Der daraus resultierende Saldenausgleich wird vier Wochen nach Beschlussfassung fällig gestellt.”

Für den Wortlaut der erläuternden Ausführungen zu TOP 5 wird auf das als Anlage K 1 vorgelegte Beschlussprotokoll vom 06.07.2022 verwiesen.

Mit Schreiben vom 03.11.2022, dem die Einzelabrechnungen 2021 mit Druckdatum 28.10.2022 beigefügt waren (Anlagen K 4 und K 5), wurde der folgende streitgegenständliche Umlaufbeschluss zur Abstimmung gestellt:

„Die sich aus den Einzelabrechnungen 2021 (vom 21.06.2022) für Wohnungen und Tiefgaragenstellplatz ergebenden Nachschüsse (= Nachzahlung) in Gegenüberstellung zu den Vorschüssen (= Guthaben) aus den gültigen Einzelwirtschaftsplänen werden genehmigt. Der daraus resultierende Saldenausgleich wird vier Wochen nach Beschlussfassung fällig gestellt.”

Es wurde um Rücksendung bis spätestens 16.11.2022 an die Hausverwaltung gebeten. Für den Wortlaut des Schreibens wird auf die Anlage K 2 verwiesen.

Mit Schreiben vom 21.12.2022 verkündete die Hausverwaltung die mehrheitliche Annahme des mit Schreiben vom 03.11.2022 zur Abstimmung gestellten Beschlusses.

Mit am 13.01.2023 beim Amtsgericht München eingegangenem und der Verwalterin am 21.01.2023 zugestelltem Schriftsatz vom 11.01.2023 hat der Kläger Nichtigkeitsklage, hilfsweise Anfechtungsklage, eingereicht und diese zugleich begründet.

Der Kläger ist der Ansicht, der verkündete Beschluss sei nichtig, weil kein sog. Absenkungsbeschluss gem. § 23 Abs. 3 S. 2 WEG gefasst worden sei und der Beschluss im Umlaufverfahren daher allstimmig hätte gefasst werden müssen. Der Beschluss sei jedenfalls rechtswidrig, weil keine angemessene Frist zur Abstimmung gesetzt worden sei und er gegen das Bestimmtheitsgebot verstoße, da aufgrund unterschiedlicher Druckdaten unklar gewesen sei, über welche Abrechnung abgestimmt werde.

Der Kläger beantragt:

Es wird festgestellt, dass der mit Schreiben vom 21.12.2022 verkündete Umlaufbeschluss ([…]) nichtig ist.

Hilfsweise: Der mit Schreiben vom 21.12.2022 verkündete Umlaufbeschluss wird für ungültig erklärt.

Die Beklagte beantragt:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Beklagte ist der Ansicht, der in der Eigentümerversammlung zu TOP 5 gefasste Beschluss genüge den Anforderungen an einen sog. Absenkungsbeschluss gem. § 23 Abs. 3 S. 2 WEG. Die Frist zur Stimmabgabe sei angemessen. Bei der Angabe des falschen Druckdatums der Einzelabrechnungen 2021 in dem angegriffenen Beschluss handle es sich – für jeden Eigentümer ersichtlich – um ein offensichtliches Schreibversehen. Im Übrigen seien die Abrechnungsspitzen richtig.

Wegen der näheren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die Sitzungsniederschrift vom 18.09.2023 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

I. Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht München ist als Wohnungseigentumsgericht gem. §§ 43 Abs. 2 Nr. 4 WEG, 23 Nr. 2c GVG örtlich und sachlich ausschließlich zuständig.

II. Die Klage ist begründet. Der angegriffene Umlaufbeschluss ist nichtig, § 23 Abs. 4 S. 1 WEG. Er wurde nicht mit der gem. § 23 Abs. 3 S. 1 WEG erforderlichen Allstimmigkeit gefasst.

1. Ein sog. Absenkungsbeschluss, der die einfache Stimmenmehrheit ausreichen lässt, wurde vorliegend nicht gefasst. Der in der Eigentümerversammlung vom 26.07.2022 zu TOP 5 gefasste Beschluss kann nicht als Absenkungsbeschluss ausgelegt werden. Er enthält keinerlei Hinweis auf das Genügen einer mehrheitlichen Beschlussfassung im Umlaufverfahren

Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 WEG ist ein Beschluss, der ohne Versammlung gefasst wurde, gültig, wenn alle Wohnungseigentümer ihre Zustimmung zu diesem Beschluss in Textform erklären. Gem. § 23 Abs. 3 S. 2 WEG können die Wohnungseigentümer beschließen, da...

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