Entscheidungsstichwort (Thema)
vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren. Rechtsverfolgungskosten. Erstbrief. Schadensersatz. einfach gelagerter Sachverhalt. Erforderlichkeit. Verkehrsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Zu jedenfalls im Umkehrschluss verfehlten Ergebnissen führt die gängige Formulierung bezüglich der Erstattbarkeit der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren zur Geltendmachung eines Schadensersatzes, die besagt, Anwaltsgebühren seien ausnahmsweise dann nicht geschuldet, wenn der Geschädigte genügend Expertise für eine erste Geltendmachung des Schadensersatzes (sog. Erstbrief) habe und weiter auf jenen Erstbrief unverzüglich vollständig bezahlt werde. Denn der oft anzutreffende Umkehrschluss, wenn obige Ausnahmen nicht gegeben seien, müssten die Anwaltsgebühren ersetzt werden, ist verkürzt.
2. Vielmehr gilt, positiv formuliert, dass nur Kosten erforderlicher Rechtsverfolgung zu erstatten sind, § 249 Abs. 2 BGB. Erforderlich ist die Einschaltung eines Rechtsanwaltes für die berechtigte Geltendmachung eines Schadens, wenn der Geschädigte die nötige Expertise für die erste Anforderung (Erstbrief) des Schadensersatzes selbst nicht hat. Darüberhinaus sind die vorgerichtlichen Anwaltsgebühren zu erstatten, die während eines Verzugs angefallen sind. Der bloße Verzugseintritt nach vorherigem anwaltlichen Tätigwerden reicht grundsätzlich nicht. Denn die Voraussetzungen für die Erstattbarkeit, d.h. Erforderlichkeit anwaltlicher Hilfe und anwaltliche Tätigkeit, müssen zeitgleich vorliegen. 3. Grundsätzlich sind die Voraussetzung der Anwaltskostenerstattung bezüglich jeder Forderungsposition gesondert zu prüfen. Nur im besonders begründeten Einzelfall kann eine Gesamtbetrachtung zu einer davon abweichenden Wertung führen.
Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
Streitwert: 411,00 EUR.
Tatbestand
(gekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
Die Klägerin fordert Ersatz von Rechtsanwaltsgebühren für die außergerichtliche Geltendmachung von Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalles.
Die Klägerin ist gewerbliche Vermieterin einer Nutzfahrzeugflotte unter marktbekanntem Namen.
Am 09.03.2011 ereignete sich ein Verkehrsunfall, für dessen Folgen unstreitig die Beklagte einzustehen hat.
Am 31.03.2011 forderte die Klägerin mit anwaltlichem Schreiben von der Beklagten Reparatur-, Gutachter- und Vorhaltekosten sowie eine Auslagenpauschale. Dabei setzte sie eine Frist zur Zahlung bis zum 14.04.2011. Die Beklagte zahlte daraufhin am 15.04.2011 die geltend gemachten Schadenspositionen ungekürzt, mit Ausnahme der Vorhaltekosten, die sie gänzlich abzog. Danach forderte der Klägervertreter mit Schreiben vom 03.05.2011 nochmals zur Zahlung der Vorhaltekosten auf, blieb damit jedoch erfolglos und verfolgte daraufhin die Geltendmachung der Vorhaltekosten nicht weiter.
Die Klägerin trägt vor, ihr seien Vorhaltekosten angefallen, ohne dies aber weiter auszuführen.
Die Klägerin fordert nun Kostenersatz für die vorgerichtliche anwaltliche Geltendmachung des Schadens. Dabei berechnet sie diese Anwaltskosten aus dem gesamt geltend gemachten Schaden, also inklusive der durch die Beklagte nicht bezahlten Vorhaltekosten. Die Klägerin meint, für die erste Anforderung des Schadensersatzes sei bereits ein Anwalt nötig gewesen. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass die Beklagte mit der Zahlung in Verzug geraten sei. Weiter habe die Beklagte nicht vollständig die klägerische Forderung beglichen.
Die Beklagte tritt dem mit der Behauptung entgegen, eine Anwaltsbeauftragung sei unnötig gewesen. Weiter habe die Klägerin keine Vorhaltekosten gehabt, diese könnten damit auch nicht als Schaden ersetzt werden.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Die Klage ist unbegründet. Zwar haftet die Beklagte unstreitig dem Grunde nach. Doch steht der Klägerin kein Anspruch auf Ersatz von Anwaltsgebühren für die vorgerichtliche Geltendmachung eines Schadensersatzes zu. Denn eine Beauftragung eines Anwaltes war weder für einen einzelnen Forderungsteil noch für eine einheitliche Gesamtforderung erforderlich, § 249 Abs. 1 S. 2 BGB.
Nach den Grundsätzen verbreiteter Rechtsprechung (1.) war für die erste Anforderung des Schadensersatzes, den sog. Erstbrief, hier kein Anwalt und damit externer Rat erforderlich (2.). Denn die Klägerin hatte für diese Anforderung die hinreichende interne Expertise (2.a)). Soweit die Geltendmachung des Fahrzeugschadens berechtigt war, hat die Beklagte bereits auf den Erstbrief gezahlt. Dass bei Zahlung bereits Verzug eingetreten war, ändert daran nichts (2.b)).
Auch bezüglich der Geltendmachung der angeblichen Vorhaltekosten war kein Anwalt erforderlich (3.). Zu Recht hat die Beklagte auf jene Forderungen nicht bezahlt. Für die anwaltliche Forderung unberechtigter Positionen sind Anwaltskosten nicht zu ersetzen.
Da die Erforderlichkeit der anwaltlichen Tätigkeit für jeden Posten einzeln zu betrachten ist, ändert sich nichts dadurch, dass der Anwa...