Entscheidungsstichwort (Thema)
einzelne Gegenstände. Vermögensgruppen. Erbeinsetzung. gesamter Nachlass. Vorausvermächtnis. Teilungsanordnung. Erbquote
Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn der Erblasser durch Zuwendung von einzelnen Gegenständen oder Vermögensgruppen praktisch sein gesamtes Vermögen aufgeteilt hat, ist nur aus-nahmsweise anzunehmen, dass er damit eine Erbeinsetzung bezweckt hat (im Anschluss an BGH NJW-RR 1990, 391 und NJW 1997, 392, entgegen OLG Hamm, Urteil vom 02.02.2010 (I-10 U 137/09), OLG München FamRZ 2010, 758, OLG Brandenburg NJW-RR 2009, 14, BayObLG NJW-RR 1995, 1096).
2. Ein solcher Ausnahmefall liegt allerdings nahe, wenn ansonsten die mit den wesentlichen Vermögenswerten Bedachten und die Erben personenverschieden sein würden.
3. Besteht Personenidentität zwischen den Zuwendungsempfängern und den gesetzlichen Erben, spricht die Aufteilung auch des gesamten Vermögens in der Regel nicht für eine testamentarische Erbeinsetzung. Im Zweifel ist dann gemäß § 2087 II BGB von gesetzlicher Erbfolge auszugehen.
Normenkette
BGB § 2087 Abs. 2
Tenor
1.
Der Antrag vom 04.03.2010 auf Erteilung eines Erbscheins wird zurück-gewiesen.
2.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.
Die Beteiligten tragen ihre Auslagen selber.
3.
Der Gegenstandswert für das Verfahren wird auf 374.405,00 € festge-setzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten zu 1) bis 5) sind die leiblichen Kinder der am ... .1910 geborenen und am ... .2002 in ... verstorbenen Erblasserin und deren am ... .1901 geborenen und am ... .1983 vorverstorbenen Ehemann V. X. Die Beteiligten zu 6) bis 8) sind die Kinder des Beteiligten zu 5); auf sie übertrug dieser mit notariellem Vertrag vom 21.07.2005 seinen Erbteil nach der Erblasserin.
Die Erblasserin und ihr Ehemann haben am 22.04.1937 vor dem Notar G. einen Ehe- und Erbvertrag geschlossen (UR-Nr. -). Dabei haben sie unter Anderem vereinbart:
§ 3 Sind bei dem Tode des einen von uns Kinder aus unserer Ehe nicht vorhanden, so setzen wir uns gegenseitig zu Erben ein, der Gestalt, dass der Überlebende den zuerst Versterbenden unter Ausschließung aller Verwandten allein beerbt. ....
§ 4 Sind bei dem Tode des einen von uns Kinder aus unserer Ehe vorhanden, soll die Fortsetzung der Gütergemeinschaft ausgeschlossen sein. Wir setzen uns dann ebenfalls gegenseitig zu Erben. Nach dem Tode des überlebenden soll der beiderseitige Nachlass an unsere Kinder fallen, ... . Dem gemäß ist der Überlebende der alleinige Erbe des zuerst Verstorbenen, während unsere Kinder als Erben des zuletzt Versterbenden Ehegatten eingesetzt sind. ... .
§ 6 Wenn ein Kind mit den Bestimmungen dieses Vertrages nicht einverstanden ist und aus dem Nachlass des Vertrages sein Pflichtteil verlangt, so soll es aus dem Nachlass des Überlebenden ebenfalls nur seinen Pflichtteil erhalten.
Nach ihrer Eheschließung betrieben die Eheleute einen landwirtschaftlichen Betrieb und einen Hotel- und Gastronomiebetrieb. 1972/1973 beabsichtigten sie mit ihren Kindern einen Übertragungsvertrag zu schließen, mit dem u.A. der Hotel- und Gastronomiebetrieb nebst Grundstück auf den Antragsteller, der den Betrieb zu dieser Zeit führte, und andere Grundstücke auf andere Kinder übertragen werden sollten. Der Antragsteller sollte zum Ausgleich an seine 4 Geschwister eine Abfindung leisten. Zu dem beabsichtigten Übertragungsvertrag kam es dann letztlich nicht, weil bereits zu dieser Zeit Uneinigkeit zwischen den Geschwistern bestand und nicht alle Geschwister bereit waren, den Vertrag zu unterzeichnen.
Wegen des Scheiterns der vertraglichen Regelung setzten die Eheleute am 12.09.1973 folgendes Testament, dessen Text von der Erblasserin geschrieben wurde, auf:
Testament
Wir die Eheleute V. X., ..., und M. X., ..., setzen uns gegenseitig zu Erben ein.
Für den Fall, daß nach dem Tod des ersten von uns eines unserer Kinder den Pflichtteil nach dem Erstversterbenden verlangen sollte, soll er auch nach dem Tode des letzten von uns nur den Pflichtteil erhalten.
Wohnort, den 12. September 1973
Unterschrift Ehemann Unterschrift Erblasserin
Am ... .1983 verstarb der Ehemann der Erblasserin.
Nach einem Brand konnte der Antragsteller aus finanziellen Gründen den Betrieb nicht wieder herstellen, woraufhin die Beteiligte zu 3) den Betrieb übernahm.
In der Familie der Erblasserin waren gemeinsame Beratungen der Familienmitglieder nicht üblich. So wurde kein "Familienrat" abgehalten, um über die Zukunft des Familienbetriebs oder ihres Grundbesitzes zu sprechen. Auch Einzelgespräche gab es über den künftigen Nachlass nicht. Insbesondere nach Scheitern der Übertragungspläne war das Verhältnis jedenfalls zwischen einzelnen ihrer Kinder in solcher Weise gestört, dass eine gemeinsame Erörterung keine vernünftigen Ergebnisse erwarten ließ. Erörterungen in größerem Kreis unterließ die Erblasserin, auch weil sie ihre Ruhe haben wollte. So holte sie sich lediglich in Einzelgesprächen bei diesem oder jenem Kind Rat ein. Auch die Kinder untereinander besprachen sich nur gelegentlich hinsichtlich gr...