Dr. Madelaine Isabelle Baade
1.1 Geschützter Personenkreis
Zu den Beschäftigten im Sinne des Gesetzes zählen Arbeitnehmer, Leiharbeitnehmer, Auszubildende, Praktikanten, arbeitnehmerähnliche Personen, Heimarbeiter, Bewerber für ein Beschäftigungsverhältnis und ehemalige Beschäftigte.
Das AGG gilt aber auch für Selbstständige (freie Mitarbeiter, Subunternehmer) und Organmitglieder (Geschäftsführer) beim Zugang zur Erwerbstätigkeit und für den beruflichen Aufstieg.
1.2 Geschützte Situationen im Arbeitskontext
1.2.1 Bewerbung und Einstellung
Der Schutz vor Benachteiligungen setzt nicht erst im bestehenden Vertragsverhältnis ein, sondern zeitlich früher bei der Vertragsanbahnung. Erfasst wird dabei auch die selbstständige Tätigkeit, beispielsweise bei Abschluss eines freien Dienstvertrags.
Einmaliger Leistungsaustausch
Handelt es sich um einen einmaligen Leistungsaustausch, wie das z. B. bei einem Werkvertrag typisch ist, ist lediglich der Schutz des zivilrechtlichen Teils des Gesetzes nach § 19 AGG relevant.
1.2.2 Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen
Das AGG gilt während des gesamten Arbeitsverhältnisses für alle Beschäftigungs- bzw. Arbeitsbedingungen, d. h. sowohl für vertragliche Regelungen als auch für Weisungen des Arbeitgebers. Das AGG findet nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 auch auf kollektive Vereinbarungen (Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen) Anwendung.
Arbeitsentgelt
Zu den Arbeitsbedingungen zählt auch das Arbeitsentgelt. Der Begriff des Arbeitsentgelts ist weit zu verstehen. Darunter fallen alle Arten von Sonderzahlungen, Gratifikationen, Prämien und auch Sachbezüge wie das Stellen von Dienstwagen.
1.2.3 Beendigung und nachvertragliche Pflichten
Bei Kündigungen ist das Kündigungsschutzgesetz vorrangig gegenüber dem AGG. Letzteres findet nur Anwendung, wenn das KSchG nicht einschlägig ist (z. B. vor Ablauf der Wartezeit, also in den ersten 6 Monaten eines Arbeitsverhältnisses).
Neben Kündigungen können auch andere Umstände zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen, insbesondere Befristungen, auflösende Bedingungen, Regelungen in Sozialplänen usw. Für diese gilt das AGG.
Auch nachvertragliche Verpflichtungen werden vom AGG erfasst, beispielsweise die Ausgestaltung von Wettbewerbsverboten.
1.3 Verpönte Merkmale
Die Benachteiligungsmerkmale (sogenannte verpönte Merkmale) sind im Gesetz selbst nicht legaldefiniert, aber nach der Gesetzesbegründung sind die Kriterien weit zu verstehen.
1.3.1 Rasse und ethnische Herkunft
Der Begriff Rasse ist schwer zu bestimmen. Es besteht ein gewisser Widerspruch, da niemand einen anderen wegen dessen "Rasse" benachteiligen kann, weil es beim Menschen keine unterschiedlichen Rassen gibt. Teilweise wird daher dafür plädiert, den Wortlaut zu ändern, beispielsweise in "aus rassistischen Motiven".
Eine Benachteiligung aus Gründen der Rasse liegt jedenfalls unzweifelhaft vor, wenn jemand unter Bezugnahme auf dessen äußere Körpermerkmale (z. B. dunkle Hautfarbe) angefeindet oder herabgesetzt wird. Daneben umfasst die Rasse jede auf der Abstammung, dem nationalen Ursprung und dem Volkstum beruhende Unterscheidung.
Zu beachten ist, dass Benachteiligungen nach § 7 Abs. 1 AGG auch dann vorliegen, wenn sich der Benachteiligende das Vorliegen des Grundes nur vorstellt. Verbindet der Benachteiligende also ein bestimmtes Kriterium mit einer von ihm definierten Rasse oder ethnischen Herkunft, ist er nicht vor den Folgen des Gesetzes zu bewahren, indem der Begriff eng ausgelegt wird.
Rechtfertigung
Eine Rechtfertigung der Benachteiligung wegen der Rasse ist i. d. R. ausgeschlossen.
Der Begriff ethnische Herkunft ist ebenfalls in einem weiten, umfassenden Sinn zu verstehen. Er beruht nach Ansicht des EuGH und des BAG auf dem Gedanken, dass gesellschaftliche Gruppen insbesondere durch eine Gemeinsamkeit der Staatsangehörigkeit, Religion, Sprache, der kulturellen und traditionellen Herkunft und Lebensumgebung gekennzeichnet sind.
Abgrenzung zwischen "Rasse" und ethnischer Herkunft
Die Abgrenzung zwischen den Merkmalen "Rasse" und "ethnische Herkunft" ist schwierig. In der Richtlinienumsetzung in das österreichische Recht wurde beispielsweise auf den Begriff der Rasse verzichtet und nur die "ethnische Herkunft" aufgenommen.
1.3.2 Geschlecht und sexuelle Identität
Bei Diskriminierungen wegen des Geschlechts ist insbesondere die Rolle des "dritten Geschlechts" zu berücksichtigen. Nach der Rechtsprech...