Dr. Madelaine Isabelle Baade
3.1 Vermutungsregelung/Beweislastumkehr
Wenn im Streitfall die eine Partei (Arbeitnehmer) Indizien vorträgt, die eine Benachteiligung wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes vermuten lassen, trägt gemäß § 22 AGG die andere Partei (Arbeitgeber) die Beweislast dafür, dass kein Verstoß gegen die Bestimmungen zum Schutz vor Benachteiligungen vorgelegen hat.
3.1.1 Beweislast des Klägers (Arbeitnehmer)
Der Kläger muss daher zunächst den Vollbeweis führen, dass er gegenüber einer anderen Person ungünstig behandelt worden ist. Er muss die von ihm angegriffene Maßnahme und ebenso das Betroffensein von dieser Maßnahme nachweisen. Dies ergibt sich zwar nicht aus dem Wortlaut der Norm. Die Beweislastregel soll jedoch dem Kläger helfen, die als innere Tatsache oftmals nur schwer nachweisbare Motivation des Benachteiligenden zu belegen. Diese Beweisnot besteht im Hinblick auf das Vorliegen einer Benachteiligung jedoch nicht.
Der Arbeitnehmer muss also (1.) das Vorliegen eines Benachteiligungsmerkmals und (2.) das Beruhen der Benachteiligung hierauf nachweisen. Es reicht die überwiegende Wahrscheinlichkeit (Indiz); nicht erforderlich ist die überzeugende Wahrscheinlichkeit.
3.1.2 Beweislast des Beklagten (Arbeitgeber)
Wenn die festgestellten Tatsachen eine Benachteiligung vermuten lassen, trägt der Beklagte also die Beweislast dafür, dass eine solche Benachteiligung nicht vorlag. Er muss Tatsachen vortragen und gegebenenfalls beweisen, aus denen sich ergibt, dass es ausschließlich andere Gründe waren als die verbotenen Merkmale, die zu der weniger günstigen Behandlung geführt haben.
3.2 Fristen
Bei der Geltendmachung von Ansprüchen nach dem AGG sind verschiedene Ausschlussfristen zu beachten.
3.2.1 Ausschlussfrist für Entschädigung und Schadensersatz gem. § 15 Abs. 4 AGG
Dem Interesse des Arbeitgebers trägt die aus der früheren Rechtslage übernommene Ausschlussfrist in § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG Rechnung, die den von einer Benachteiligung betroffenen Beschäftigten zu einer raschen Geltendmachung etwaiger Ersatzansprüche anhält.
Ein Anspruch nach § 15 AGG muss innerhalb einer Frist von 2 Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt mit der Kenntnis des Beschäftigten der Benachteiligung.
3.2.2 Klage wegen Benachteiligung gem. § 61b Abs. 1 ArbGG
Die für die schriftliche Geltendmachung gegenüber dem Arbeitgeber gesetzte Frist (2 Monate) in § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG wird im Sinne einer 2-stufigen Ausschlussfrist durch die Ausschlussfrist in § 61b Abs. 1 ArbGG (3 Monate nach schriftlicher Geltendmachung) ergänzt, wenn der Benachteiligte Ansprüche gerichtlich geltend machen will, beschränkt sich inhaltlich jedoch auf Ansprüche auf "Entschädigung". Erfasst werden hierdurch lediglich Ansprüche auf Ausgleich eines Nichtvermögensschadens gemäß § 15 Abs. 2 AGG.
3.3 Antidiskriminierungsverbände
Eine besondere Regelung gilt für die Antidiskriminierungsverbände des § 23 AGG. Diese können in Verfahren als Beistände von Benachteiligten, für die kein Vertretungszwang besteht, in der mündlichen Verhandlung auftreten. Die Verbände müssen die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 AGG und dort insbesondere des Satzes 2 erfüllen. Sie müssen danach mindestens 75 Mitglieder haben oder ein Zusammenschluss von mindestens 7 Verbänden sein. Die Vertreter der Antidiskriminierungsverbände können nur als Beistand in der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz auftreten.
Stellung als Beistand
Die Stellung des Antidiskriminierungsverbands als Beistand richtet sich im Übrigen nach § 11 Abs. 6 ArbGG. Die Antidiskriminierungsverbände haben nicht die gleichen Rechte und Pflichten wie Rechtsanwälte und Verbandsvertreter. Sie sind als Beistände nur in der mündlichen Verhandlung zugelassen.