Mittelgebühr grds. angemessen
Soweit Rahmengebühren geschuldet sind, ist es grds. angemessen, einen Vorschuss in Höhe der Mittelgebühr zu verlangen. Dies gilt insbesondere in Bußgeldsachen. Die Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG spielen hier unmittelbar keine Rolle, da es bei einem Vorschuss nicht darauf ankommt, wie umfangreich und schwierig die Sache bisher war, sondern darauf, wie umfangreich und schwierig die Sache bis zu ihrem Abschluss noch werden kann. Das lässt sich aber in der Regel nicht voraussehen.
Angemessener Vorschuss in Bußgeldsachen
Bei der Vorschussanforderung des Rechtsanwalts ist grundsätzlich von dem Mittelbetrag der einschlägigen Rahmengebühr auszugehen. Dies muss auch für ein Bußgeldverfahren gelten, denn Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeit sind die üblichen Bußgeldverfahren. Es kann von vornherein nicht abgeschätzt werden, ob hier eine deutlich unterdurchschnittliche Angelegenheit vorliegt.
AG Stuttgart, Urt. v. 31.10.2007 – 14 C 5483/07, AGS 2008, 78 = zfs 2008, 106 = SVR 2008, 224 = RVGreport 2008, 21 = NJW-Spezial 2008, 61
1. In Bußgeldangelegenheiten kann auch der im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde beauftragte Rechtsanwalt bereits (auch) einen Vorschuss für das gerichtliche Verfahren verlangen.
2. Bei der Anforderung eines Gebührenvorschusses durch den beauftragten Rechtsanwalt ist auch in einer Verkehrsordnungswidrigkeitensache der Ansatz einer Mittelgebühr grundsätzlich angemessen.
AG Chemnitz, Beschl. v. 1.4.2005 – 21 C 750/2005, AG Chemnitz AGS 2005, 431 u. 2006, 213
Angemessener Vorschuss in Sozialsachen
Im Rahmen der Vorschussanforderung ist es grundsätzlich nicht unangemessen, die Mittelgebühren als Vorschuss anzufordern.
AG Saarlouis, Urt. v. 4.2.2014 – 28 C 1698/13, AGS 2014, 216 = NJW-Spezial 2014, 348
Unzutreffend ist daher die Gegenauffassung, die auch bei einem Vorschuss in Bußgeldsachen nur eine Gebühr unterhalb der Mittelgebühr zubilligt.
Für die Bemessung eines angemessenen Vorschusses i.S.d. § 9 RVG in einem Fall mit unterdurchschnittlicher Bedeutung ist deshalb nicht von einer Grundgebühr von 100,00 EUR (zzgl. Umsatzsteuer) auszugehen, sondern von einer Grundgebühr von 75,00 EUR (zzgl. Umsatzsteuer).
AG Tempelhof-Kreuzberg, Urt. v. 18.10.2018 – 8 C 186/18, AGS 2019, 318 = RVGreport 2019, 173 = RVGprof. 2019, 96
Bei Geschäftsgebühr reicht Schwellengebühr
Bei der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV verhält es sich nach der überwiegenden Rspr. dagegen anders. Hier soll ein erster Vorschuss grds. auf die sog. Schwellengebühr begrenzt sein.
Dem Rechtsanwalt steht grundsätzlich ein Recht auf Vorschusszahlung in Höhe einer 1,3 Geschäftsgebühr zu.
AG München, Urt. v. 31.5.2006 – 232 C 9919/06, AGS 2007, 234
Eine über die Mittelgebühr von 1,3 hinausgehende Geschäftsgebühr kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich und schwierig, also überdurchschnittlich, gewesen ist oder voraussichtlich sein wird.
AG Düsseldorf, Urt. v. 7.3.2013 – 32 C 11174/12 AGS 2014, 115 = RuS 2014, 102
Höherer Vorschuss ist möglich
Ein höherer Vorschuss kann aber verlangt werden, wenn bereits feststeht, dass die Sache weder umfangreich noch schwierig bleiben wird.
Bei einer außergerichtlichen Tätigkeit geplanten Arzthaftungsklage auf Schmerzensgeld ist der Ansatz einer 2,1-fachen Gebühr in der Vorschussrechnung des Rechtsanwalts angemessen.
AG Köln, Urt. v. 9.1.2014 – 130 C 65/13, VersR 2015, 1002
Beruft sich der Mandant darauf, dass das Recht auf Vorschuss abbedungen oder eingeschränkt worden sei, so trägt er dafür die Darlegungs- und Beweislast.
Der Rechtsanwalt ist gem. § 9 RVG grundsätzlich berechtigt, Vorschüsse bis zur Höhe der vollen Verfahrensgebühr zu fordern. Der Mandant trägt im Honorarrechtsstreit nach allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen des ihn begünstigenden Ausnahmetatbestandes, dass mit dem beauftragten Rechtsanwalt in Abweichung von dem gesetzlich statuierten Anspruch auf einen angemessenen Vorschuss die Vereinbarung bestanden habe, dass keine oder nur eine reduzierte Vorschusszahlung geleistet werden sollte.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 12.5.2011 – I-24 U 212/10, FamRZ 2012, 746