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Der Fall
Der Anwalt wird beauftragt, eine Geldforderung i.H.v. 50.000,00 EUR aus einer notariellen Urkunde beizutreiben. In der Urkunde hatte sich der Schuldner wegen der Zahlung der sofortigen Zwangsvollstreckung unterworfen. Der Anwalt schreibt den Schuldner an und fordert ihn zur Zahlung auf. Gleichzeitig beantragt er beim Notar die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung. Nachdem die Ausfertigung vorliegt und der Schuldner immer noch nicht gezahlt hat, leitet der Anwalt die Mobiliarvollstreckung ein.
a) Der Anwalt hatte bereits an der Erstellung des Vertrages mitgewirkt.
b) Der Anwalt war an dem Vertrag nicht beteiligt.
Welche Vergütung steht dem Anwalt zu?
I. Lösung Fall a)
Geschäftsgebühr für Vertragsgestaltung
War der Anwalt an der Errichtung des Vertrages beteiligt, so hat er hierfür gem. Vorbem. 2.3 Abs. 3 VV eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV verdient. Hier soll von der Mittelgebühr ausgegangen werden.
Keine weitere Vergütung für Anfordern der vollstreckbaren Ausfertigung
Das spätere Anfordern der vollstreckbaren Ausfertigung wäre dann durch die Geschäftsgebühr mit abgegolten. Insoweit gilt § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 13 RVG, wonach die erstmalige Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung, ohne dass Klage erhoben werden muss, mit zur jeweiligen Angelegenheit gehört und daher keine gesonderten Gebühren auslöst. Danach hätte der Anwalt also zunächst verdient:
1. |
1,3-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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1.511,90 EUR |
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(Wert: 50.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.531,90 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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291,06 EUR |
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Gesamt |
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1.822,96 EUR |
Verfahrensgebühr für Vollstreckungsandrohung
Für die Zahlungsaufforderung erhält der Anwalt eine weitere Vergütung. Ausgelöst wird allerdings nicht eine (weitere) Geschäftsgebühr; vielmehr handelt es sich bei der Zahlungsaufforderung bereits um die Androhung der Zwangsvollstreckung, sodass hierfür eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV entsteht. Da die Verfahrensgebühr bereits für das Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information entsteht (Vorbem. 3 Abs. 2 VV), erhält der Anwalt die Verfahrensgebühr auch dann schon, wenn er nur eine Vollstreckung androht.
Dass zu diesem Zeitpunkt die vollstreckbare Ausfertigung noch nicht vorlag, ist unerheblich. Entscheidend ist der Auftrag. Der Anwalt war beauftragt, die titulierte Forderung durchzusetzen. Insoweit handelt es sich immer um eine Vollstreckungsandrohung. Soweit der Anwalt parallel hierzu erst noch die vollstreckbare Ausfertigung beantragen musste, handelt es sich um eine Vorbereitungstätigkeit zur Zwangsvollstreckung, die nach § 18 Nr. 1 RVG mit zur Angelegenheit gehört (ebenso zur vorherigen Beibringung einer Avalbürgschaft: BGH AGS 2013, 46 = NJW 2012, 3789 = Rpfleger 2013, 102). Die gesamte Zwangsvollstreckung einschließlich vorbereitender Tätigkeiten bis zur vollständigen Befriedigung des Gläubigers ist je Vollstreckungsmaßnahme ein und dieselbe Angelegenheit.
Erstattungsfähigkeit ist fraglich
Eine andere Frage ist, ob die Vollstreckungsandrohung in dieser Phase bereits erstattungsfähig ist. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3309 VV sei erst dann erstattungsfähig, wenn die Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung vorliegen würden, insbesondere also die Vollstreckungsklausel bereits erteilt sei. Lediglich die Zustellung müsse noch nicht bewirkt sein (so wohl BGH AGS 2003, 561 = Rpfleger 2003, 596 = FamRZ 2003, 1742 = NJW-RR 2003, 1581 = MDR 2003, 1381 = InVo 2004, 35; FamRZ 2004, 101 = DGVZ 2004, 24; LG Saarbrücken AGS 2019, 543). Nach zutreffender Auffassung ist dies jedoch unerheblich. Entscheidend ist, dass ein Titel über eine vollstreckbare Forderung vorliegt und die Voraussetzungen für die Erteilung der Klausel vorliegen. Dies war hier der Fall.
Keine weitere Vergütung für Vollstreckung
Letztlich kommt es hier nicht darauf an, da die Vollstreckungsklausel später erteilt worden ist und hiernach dann die Vollstreckung auch durchgeführt wurde. Allerdings ist für die Durchführung der Mobiliarvollstreckung keine weitere Vergütung angefallen. Bei der Vollstreckungsandrohung und der Durchführung der Vollstreckung handelt es sich um dieselbe Angelegenheit (§ 18 Nr. 1 RVG), so dass die Gebühren nur einmal abgerechnet werden können (AG Münster DGVZ 2006, 31; LG Kassel DGVZ 1996, 11; AG Herborn DGVZ 1993, 118; LG München, Beschl. v. 19.12.2007 – 6 T 5058/07).
Der Anwalt erhält also im Fall a) folgende weitere Vergütung:
1. |
0,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3309 VV |
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348,90 EUR |
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(Wert: 50.000,00 EUR) |
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2 |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
368,90 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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70,09 EUR |
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Gesamt |
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438,99 EUR |
II. Lösung Fall b)
Anfordern der vollstreckbaren Ausfertigung ist Vorbereitungstätigkeit
War der Anwalt nicht an der Errichtung des Vertrages beteiligt, so ist für ihn auch keine Geschäftsgebühr entstanden. Das Anfordern der vollstreckbaren Ausfertigung zählt in diesem Fall nicht mehr zur Geschäftstätigkeit, so...