Leitsatz
Kommt es im Rahmen einer Stufenklage nicht zur Bezifferung der Leistungsstufe, so ist der Streitwert der Leistungsstufe nach den Vorstellungen des Klägers an dem noch zu beziffernden Leistungsanspruch bei Klageeinreichung zu bemessen.
AG Celle, Beschl. v. 26.11.2008 – 15 WF 293/08
I. Der Fall
Der Kläger war im Wege der Stufenklage (§ 254 ZPO) vorgegangen und hatte in erster Stufe Auskunft verlangt und in zweiter Stufe Zahlung eines noch zu beziffernden Unterhalts. Zur Bezifferung des Zahlungsanspruchs kam es jedoch nicht mehr. Das AG hatte den Wert lediglich mit dem Auskunftsinteresse berücksichtigt, da es zur Bezifferung der Klage nicht gekommen sei. Die hiergegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg.
II. Die Entscheidung
Alle Klageanträge werden rechtshängig
Wird eine Stufenklage erhoben, so werden sämtliche Klageanträge sofort rechtshängig. Folglich müssen sie auch bewertet werden. Entscheidend ist dabei nach § 40 GKG der Zeitpunkt der Antragstellung, die den Rechtszug einleitet. Dies gilt grundsätzlich auch für noch nicht bezifferte Anträge, da diese – wie bereits ausgeführt – mit Einreichung der Stufenklage anhängig werden.
Auch nicht beschiedener Leistungsantrag ist zu bewerten
Das gilt auch dann, wenn über den noch zu beziffernden Leistungsantrag nicht mehr entschieden wird. Der Streitwert bemisst nicht sich nach den Ansprüchen, über die entschieden wird, sondern nach den Ansprüchen, die Gegenstand des Verfahrens waren.
Wert richtet sich nach objektivem Klägervorbringen
Kommt es nicht zur Bezifferung der Leistungsstufe, dann ist nach dem objektiven Vorbringen des Klägers zu schätzen, mit welchen Ansprüchen hier zu rechnen gewesen wäre (OLG Karlsruhe AGS 2008, 497 = FamRZ 2008, 1205; OLG Köln FamRZ 2005, 1847; OLG Nürnberg FamRZ 2004, 962; OLG Hamm FamRZ 2004, 1664; = OLGR Hamm 2005, 59). Es kommt also auf die objektivierbaren Vorstellungen des Klägers an. Hierfür bietet die Klage in der Regel – insbesondere wie hier bei Kindesunterhalt – genügend Anhaltspunkte. Das Gericht hat daher zu Recht den Streitwert der Leistungsklage mit dem hier zu erwartenden Unterhalt festgesetzt.
Höherer Wert ist maßgebend
Die Anträge von Auskunft und Leistung sind dann allerdings nicht zusammenzurechnen. Es gilt vielmehr nur der höhere Wert (§ 44 GKG).
III. Der Praxistipp
Viele Gerichte sind der Auffassung, dass der Wert einer Stufenklage lediglich mit dem Wert der Auskunftsstufe zu bemessen sei, wenn es nicht mehr zur Bezifferung gekommen ist. Sie übersehen dabei, dass der Leistungsantrag kein Eventualantrag ist, der nur für den Fall der Auskunftserteilung gestellt wird. Vielmehr wird der Antrag unbedingt gestellt; lediglich die genaue Bezifferung bleibt vorbehalten.
Beim Anwalt sind Stufenstreitwerte möglich
Allerdings entstehen die Gebühren für den Anwalt aus dem vollen Wert nur insoweit, als diese auch aus dem vollen Wert ausgelöst worden sind. Die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) entsteht daher grundsätzlich immer nach dem vollen Wert. Die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV) entsteht dagegen aus dem vollen Wert nur dann, wenn auch über den Leistungsantrag verhandelt (Vorbem. 3 Abs. 3 VV) oder ein schriftlicher Vergleich geschlossen wird (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV). Kommt es nicht mehr zur Bezifferung des Leistungsantrags und wird darüber auch weder verhandelt noch ein Vergleich geschlossen, dann gilt für die Terminsgebühr nur der geringere Wert der Auskunftsstufe.
Beispiel 1
Die Antragstellerin verlangt Unterhalt und geht im Wege des Stufenklageantrags (Auskunft und Zahlung) gegen den Antragsgegner vor. Über den Auskunftsantrag wird verhandelt. Sodann wird die Auskunft erteilt und der Klageantrag beziffert. Darüber wird ebenfalls verhandelt. Die Werte werden wie folgt festgesetzt: Auskunft: 1.500,00 EUR, Leistung: 6.000,00 EUR.
Die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) ist aus dem höheren Wert des Leistungsantrags angefallen, ebenso die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV).
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 6.000,00 EUR) |
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439,40 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 1.500,00 EUR) |
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405,60 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
865,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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164,35 EUR |
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Gesamt |
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1.029,35 EUR |
Beispiel 2
Die Klägerin verlangt Unterhalt und geht im Wege der Stufenklage (Auskunft und Zahlung) gegen den Beklagten vor. Über den Auskunftsantrag wird verhandelt. Sodann wird die Auskunft erteilt und die Klage zurückgenommen. Die Werte werden wie folgt festgesetzt: Auskunft: 1.500,00 EUR, Leistung: 6.000,00 EUR.
Die Verfahrensgebühr (Nr. 3100 VV) ist aus dem höheren Wert des Leistungsantrags angefallen. Die Terminsgebühr (Nr. 3104 VV) ist dagegen nur aus dem geringeren Wert des Auskunftsantrags entstanden.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV (Wert: 6.000,00 EUR) |
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439,40 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV (Wert: 1.500,00 EUR) |
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126,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
585,40 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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111,23 EUR |
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Gesamt |
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696,63 EUR |