Leitsatz
Eine Anrechnung der im Rahmen der Beratungshilfe verdienten Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr eines nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens kommt in sozialgerichtlichen Angelegenheiten nicht in Betracht, da hier die vorangegangene Tätigkeit bereits durch den nach Nr. 3103 VV verringerten Rahmen der Verfahrensgebühr erfasst wird.
SG Aachen, Beschl. v. 27.2.2009 – S 9 AS 42/08
I. Der Fall
Der Anwalt war zunächst für den Rechtsuchenden im Rahmen der Beratungshilfe in einem sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren tätig. Anschließend kam es zum Rechtsstreit vor dem SG. Der Anwalt meldete nach Abschluss des Verfahrens eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV an. Die Landeskasse war der Auffassung, darauf müsse die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr der Nr. 2503 VV gem. Anm. Abs. 2 zu Nr. 2503 VV hälftig angerechnet werden. Auf die Erinnerung hin hat das SG die hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr wieder aufgehoben.
II. Die Entscheidung
Im Verfahren gilt Nr. 3103 VV
Die Urkundsbeamtin hat zutreffend festgestellt, dass der Gebührentatbestand für die Verfahrensgebühr die Nr. 3103 VV – nicht Nr. 3102 VV – ist, denn es ist eine Tätigkeit im Vorverfahren, also in einem weiteren der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren vorausgegangen. Der niedrigere Gebührenrahmen greift ein, weil die Vorbefassung im Verwaltungsverfahren die Tätigkeit im Klageverfahren vereinfacht. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich nicht um eine Kürzung der Gebühr, sondern es ist von vornherein der niedrigere Gebührenrahmen der Nr. 3103 VV anzuwenden.
Daneben keine Anrechnung der Geschäftsgebühr
Daneben ist aber nicht auch noch die Hälfte der Beratungshilfegebühr nach Nr. 2503 VV anzurechnen. Die Auslegung anhand des Normzwecks ergibt, dass die Anrechnung der halben Beratungshilfe-Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr des sozialgerichtlichen Verfahrens unterbleiben muss, weil sie hinter Nr. 3103 VV als der spezielleren Vorschrift zurücktritt. Die Anrechenbarkeit der Geschäftsgebühr auf die im nachfolgenden Gerichtsverfahren wegen desselben Gegenstandes entstehende Verfahrensgebühr dient nach der Rechtsprechung demselben Zweck wie die Absenkung des Gebührenrahmens nach Nr. 3103 VV: Wenn der Rechtsanwalt bereits außergerichtlich mit der Sache betraut gewesen ist und die Geschäftsgebühr für das „Betreiben des Geschäfts einschließlich der Information“ verdient hat, reduziert sich der Umfang seiner diesbezüglichen gerichtlichen Tätigkeit nicht unerheblich; eine „doppelte Vergütung“ ist aber nicht zu vertreten.
Ist der Tätigkeit im sozialgerichtlichen Klageverfahren mit Betragsrahmengebühren eine Tätigkeit im Verwaltungs- oder Vorverfahren vorausgegangen, ist dies demgemäß (nur) über Nr. 3103 VV, nicht auch noch nach Anm. Abs. 2 zu Nr. 2503 VV zu berücksichtigen.
Die Entscheidung des SG ist zutreffend (siehe AnwK-RVG/N. Schneider, 4. Aufl. 2008, Nr. 2503 Rn 20). Es liegt hier ein offenbares Versehen des Gesetzgebers vor, der die Anrechnungsvorschrift bei der Beratungshilfe nicht auch auf die sozialrechtlichen Gebühren abgestimmt hat. Diese Auffassung ist in der Rspr. allerdings nicht unumstritten:
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Für eine Anrechnung: |
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LSG Nordrhein-Westfalen AGS 2008, 347. |
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Gegen eine Anrechnung: |
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LSG Nordrhein-Westfalen AGS 2008, 348 m. Anm. N. Schneider = NJW-Spezial 2008, 507 = RVGreport 2008, 389, |
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SG Dresden AGS 2009, 229 = RVGreport 2009, 146 = NJW-Spezial 2009, 285. |