Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. vorprozessual entstandene Geschäftsgebühr im Rahmen der Beratungshilfe. keine Anrechnung auf Verfahrensgebühr für das anschließende gerichtliche Verfahren
Orientierungssatz
1. Das Betreiben eines Geschäfts, welches über die Geschäftsgebühr nach Nr 2503 RVG-VV zu vergüten ist, kann auch in der Vertretung in einem sozialgerichtlichen Vorverfahren liegen.
2. Der Gebührentatbestand der Nr 3103 RVG-VV ist eine Spezialvorschrift für die Berücksichtigung der Vorbefassung eines Rechtsanwaltes in einem dem gerichtlichen Verfahren vorausgehenden Verwaltungs- oder Vorverfahren, wobei diese als lex spezialis der Anwendung der Anrechnungsvorschrift der Nr 2503 Abs 2 RVG-VV vorgeht und eine kumulative Anwendung ausschließt. Wird danach ein Rechtsanwalt im Rahmen der Beratungshilfe in einem sozialrechtlichen Vorverfahren tätig, so ist die dort verdiente Geschäftsgebühr der Nr 2503 RVG-VV nicht auf die Verfahrensgebühr nach Nr 3103 RVG-VV des anschließenden gerichtlichen Verfahrens anzurechnen.
3. Die Gebührentatbestände der Nrn 2401 und 3103 RVG-VV stellen "Sondergebührentatbestände" dar, die im sonstigen Gebührenrecht in dieser Form nicht vorkommen.
Gründe
I.
Mit Beschluss vom 25. Juli 2005 wurde der Klägerin im Klageverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Erinnerungsführerin bewilligt.
Unter dem 15.01.2008 beantragte die Erinnerungsführerin die Gewährung eines Vorschusses iSd § 47 RVG. Dabei machte sie folgende Gebühren und Auslagen geltend:
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Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG |
170,00 EUR |
Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG |
36,10 EUR |
zusammen: |
226,10 EUR |
Außerdem gab die Erinnerungsführerin an, unter dem 29.03.2005 einen Betrag von 97,44 EUR (brutto) für Beratungshilfe aus der Landeskasse erhalten zu haben.
Mit Beschluss vom 18.01.2008 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle den zu gewährenden Vorschuss auf den Betrag von 184,45 EUR fest. Dieser Betrag setzt sich wie folgt zusammen:
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Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG |
170,00 EUR |
abzüglich Beratungshilfegebühr Nr. 2603 VV RVG |
-35,00 EUR |
Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG |
29,45 EUR |
zusammen: |
184,45 EUR |
Zur Begründung führte die Urkundsbeamtin aus, nach Nr. 2603 II VV RVG sei die Geschäftsgebühr nach Nr. 2603 VV RVG (70,00 €) zur Hälfte auf ein sich anschließendes Gerichtsverfahren anzurechnen. Demnach sei hier ein Betrag von 35,00 EUR auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.
Dagegen richtet sich die Erinnerung. Die Beratungshilfe sei für das Vorverfahren gewährt worden. Nach § 17 Nr. 1 RVG handele es sich bei dem Vorverfahren einerseits und dem Klageverfahren andererseits jeweils um verschiedene Angelegenheiten. Eine Anrechnung dürfe nicht erfolgen, da für das sozialgerichtliche Klageverfahren zwei verschiedene Gebührentatbestände für die Verfahrensgebühr vorgesehen seien, nämlich die Gebührentatbestände der Nrn. 3102 VV RVG und 3103 VV RVG. Durch die Anrechnung der Gebühr aus der Beratungshilfe würde eine doppelte Gebührenkürzung vollzogen.
II.
Die zulässige Erinnerung ist begründet.
Nach § 47 Abs. 1 RVG kann der Rechtsanwalt wegen seiner Vergütung einen Anspruch gegen die Staatskasse für entstandene Gebühren und Auslagen fordern. Über den bereits festgesetzten Betrag hinaus hat die Erinnerungsführerin Anspruch auf Zahlung eines weiteren Vorschusses in Höhe von 41,65 EUR.
Unstreitig kommt vorliegend hinsichtlich der Verfahrensgebühr der Gebührentatbestand der Nr. 3103 VV RVG zur Anwendung, da die Erinnerungsführerin für die Klägerin bereits im Vorverfahren, also einem weiteren der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienenden Verwaltungsverfahren tätig war. Der verminderte Gebührenrahmen greift ein, weil die Vorbefassung im Vorverfahren die Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten im Klageverfahren vereinfacht.
Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV RVG (früher 2603 VV RVG) auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG scheidet jedoch aus.
Der Gebührentatbestand der Nr. 2503 VV RVG (früher Nr. 2603 VV RVG) bestimmt die hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr aus der Beratungshilfe auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren. Voraussetzung ist demnach, dass der Rechtsanwalt aufgrund bewilligter Beratungshilfe für den Rechtsuchenden tätig geworden ist, mithin ein Geschäft betrieben hat, denn bloße Rats- und Auskunftserteilung genügen für die Anwendbarkeit des Gebührentatbestandes der Nr. 2503 VV RVG regelmäßig nicht. Mithin kann das Betreiben eines Geschäfts, welches sodann über die Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV RVG zu vergüten ist, auch in der Vertretung in einem sozialgerichtlichen Vorverfahren liegen.
Hieraus ergibt sich jedoch, dass der Rechtsanwalt, der für den unbemittelten Mandanten im Rahmen der Beratungshilfe ein Vorverfahren führt, ohnehin bereits gegenüber dem Rechtsanwalt, der für die Vertretung im Vorverfahren Gebühren nach Nr...