Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. keine Anrechnung der Beratungshilfegebühr auf die Verfahrensgebühr. Terminsgebühr. Betragsrahmengebühr. durchschnittliche Dauer eines Verhandlungstermins beim Berliner Sozialgericht ≪30 bis 45 Minuten≫
Leitsatz (amtlich)
1. Die Beratungshilfegebühr nach Nr 2503 RVG-VV ist nicht auf die Verfahrensgebühr nach Nr 3103 RVG-VV anzurechnen (Bestätigung des Musterbeschlusses des SG Berlin vom 2.10.2009 - S 164 SF 1112/09 E = AGS 2010, 34).
2. Zur grundsätzlichen Feststellung der von den Kostenkammern für durchschnittlich erachteten Verhandlungsdauer am Sozialgericht Berlin.
Tenor
Auf die Erinnerung gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Sozialgerichts vom 27. März 2009 werden die zu erstattenden Kosten auf 386,75 EUR festgesetzt. Die weitergehende Erinnerung wird zurückgewiesen.
Gründe
Auf die zulässige Erinnerung waren die zu erstattenden Kosten auf den Betrag von 386,75 EUR lt. nachstehender Berechnung festzusetzen:
|
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV RVG |
170,00 EUR |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG |
135.00 EUR |
Post- und Telekommunikationsdienstleistungen Nr. 7002 VV RVG |
20,00 EUR |
Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG (19 %) |
61,75 EUR |
Summe |
386,75 EUR |
Entgegen den Feststellungen im angefochtenen Vergütungsfestsetzungsbeschluss war die von der Erinnerungsführerin erhaltene Beratungshilfe nicht i.H.d. (hälftigen) Beratungshilfegebühr von 35,00 EUR nach Nr. 2305 Abs. 2 Satz 1 VV RVG auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 310 3VV RVG anzurechnen. Die Kammer folgt zu dieser Rechtsfrage grundsätzlich und aus den dort genannten Gründen der Ansicht der 164. Kammer des Sozialgerichts Berlin in deren Musterbeschluss vom 2. Oktober 2009 - S 164 SF 1112/09 E - . Darin heißt es:
“Eine Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV RVG (früher 2603 VV RVG) auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG scheidet jedoch aus.
Der Gebührentatbestand der Nr. 2503 VV RVG (früher Nr. 2603 VV RVG) bestimmt die hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr aus der Beratungshilfe auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches oder behördliches Verfahren. Voraussetzung ist demnach, dass der Rechtsanwalt aufgrund bewilligter Beratungshilfe für den Rechtsuchenden tätig geworden ist, mithin ein Geschäft betrieben hat, denn bloße Rats- und Auskunftserteilung genügen für die Anwendbarkeit des Gebührentatbestandes der Nr. 2503 VV RVG regelmäßig nicht. Mithin kann das Betreiben eines Geschäfts, welches sodann über die Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV RVG zu vergüten ist, auch in der Vertretung in einem sozialgerichtlichen Vorverfahren liegen.
Hieraus ergibt sich jedoch, dass der Rechtsanwalt, der für den unbemittelten Mandanten im Rahmen der Beratungshilfe ein Vorverfahren führt, ohnehin bereits gegenüber dem Rechtsanwalt, der für die Vertretung im Vorverfahren Gebühren nach Nr. 2400 bzw. 2401 VV RVG liquidiert, schlechter gestellt ist, wie der Vergleich der Gebührenrahmen der Gebührentatbestände der Nrn. 2400 und 2401 sowie Nr. 3103 VV RVG einerseits mit der Festgebühr der Nr. 2503 Abs. 1 und 2 sowie Nr. 3103 VV RVG andererseits ergibt. Hinzukommt, dass die im Vorverfahren verdiente Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG nicht auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV RVG angerechnet wird (auch nicht zur Hälfte), sondern die Erleichterungen durch die Vorbefassung des Rechtsanwaltes werden ausschließlich über den niedrigeren Gebührenrahmen der Nr. 3103 VV RVG berücksichtigt.
Eine andere Sichtweise ergibt auch nicht der Vergleich zu den nach § 197a SGG kostenpflichtigen Verfahren, in denen keine Beitragsrahmengebühren, sondern Wertgebühren entstehen. In diesen Fällen kommt trotz Vorbefassung des Rechtsanwalts im vorangegangenen Verwaltungs- und/oder Vorverfahren beim nachfolgenden Gerichtsverfahren kein niedrigerer Satzrahmen bei der Gebührenbestimmung zur Anwendung, sondern die allgemeinen, unverminderten Gebühren nach den Nrn. 3100 und 3101 bzw. 3104 und 3105 VV RVG. Eine Minderung dieser Gebühren wegen der Vorbefassung des Rechtsanwalts im vorangegangenen Verwaltungsverfahren wird entweder durch hälftige Anrechnung der im Verwaltungsverfahren verdienten Geschäftsgebühr nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG vorgenommen (soweit keine Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV RVG verdient worden ist) oder eben durch hälftige Anrechnung der nach Nr. 2503 Abs. 1 VV RVG verdienten Geschäftsgebühr bei Beratungshilfe. Durch diese hälftige Anrechnung wird bewirkt, dass die Vorbefassung des Rechtsanwalts gebührenrechtlich Berücksichtigung findet, weil eine Gleichbehandlung des Rechtsanwalts, der unmittelbar und nur einen Prozessauftrag erhält, mit dem Rechtsanwalt, der zunächst außergerichtlich tätig war, nicht zu rechtfertigen ist (vgl. BT-Drs. 15/1971 S. 209, zu Vorbemerkung 3 Abs. 4). Hieraus folgt, dass der Gesetzgeber die vorgerichtliche Befassung und Honorierung des Rechtsanwaltes (etwa in einem Verwaltungsverfahren) in einem nachfolgenden, dadurch für ihn weniger aufwändigen ...