Leitsatz

Die Beratung über den Trennungsunterhalt und über die Voraussetzungen der Ehescheidung sind auch im Rahmen der Beratungshilfe zwei verschiedene Angelegenheiten und lösen daher gesonderte Gebühren aus.

AG Detmold, Beschl. v. 22.6.2009 – 20 II 627/09

I. Der Fall

Der Anwalt hatte den Rechtsuchenden sowohl hinsichtlich Trennungsunterhalt als auch hinsichtlich der Voraussetzungen der Ehescheidung beraten. Er beantragte hiernach die Festsetzung zweier Beratungsgebühren nach Nr. 2501 VV für zwei verschiedene Angelegenheiten. Das AG setzte die Vergütung im Ergebnis antragsgemäß fest.

II. Die Entscheidung

Beratung über Trennungsunterhalt und Ehescheidung sind verschiedene Angelegenheiten

Das AG geht davon aus, dass der Anwalt Beratungstätigkeiten in zwei verschiedenen Angelegenheiten erbracht hat. Eine Begriffsbestimmung der Angelegenheit ergebe sich aus dem Gesetz nicht; zwar nehme § 16 Nr. 4 RVG dieselbe Angelegenheit für eine Scheidungssache und die Folgesachen an. Allerdings könne darunter die Beratung über die Abwehr von Trennungsunterhaltsansprüchen begrifflich nicht fallen. Eine Entscheidung über den Trennungsunterhalt sei nicht für den Fall der Scheidung zu treffen. Die Trennungszeit sei von der Zeit nach der Scheidung nicht erfasst.

III. Der Praxistipp

Die Entscheidung des AG ist im Ergebnis richtig. Die Begründung ist unzutreffend. Im Rahmen der Beratungshilfe kommt es für die Abgrenzung, wann eine Angelegenheit vorliegt und wann mehrere Angelegenheiten anzunehmen sind – ebenso wie beim Wahlanwalt – auf die Kriterien des § 15 RVG an. Voraussetzungen für die Annahme einer Angelegenheit ist auch hier, dass

  • der Tätigkeit des Anwalts ein einheitlicher Auftrag zugrunde liegt,
  • sich die Tätigkeit im gleichen Rahmen hält und
  • zwischen den Beratungsgegenständen ein innerer Zusammenhang besteht.

Weite Auslegung des Begriffs „Angelegenheit“

Dabei darf der Begriff der Angelegenheit wegen der ohnehin zu niedrigen Gebühren des Rechtsanwalts nicht zu weit gefasst werden (BVerfG AGS 2002, 273).

In vielen Entscheidungen werden die aus § 15 RVG herausgebildeten Voraussetzungen nicht beachtet, so dass der Anwalt dem Gericht die einzelfallbezogen Umstände seiner Tätigkeit bereits mit dem Festsetzungsantrag darstellen sollte, um Abgrenzungsfragen zu begegnen.

Auf die Anzahl der Berechtigungsscheine kommt es nicht an

Wie das AG zutreffend erkannt hat, ist nicht etwa maßgeblich, wie viele Berechtigungsscheine vorliegen, denn trotz mehrerer Berechtigungsscheine kann nur eine Angelegenheit gegeben sein und es können umgekehrt mehrere Angelegenheiten vorliegen, wenn nur ein Berechtigungsschein erteilt worden ist.

§ 16 Nr. 4 RVG gilt nicht für die außergerichtliche Tätigkeit.

Soweit das AG zur Begründung seiner Entscheidung auf den für den Scheidungsverbund geltenden § 16 Nr. 4 RVG abstellt, trägt seine Begründung nicht. Auch Ehe- und Folgesachen sind nach den Kriterien des § 15 RVG selbstständige Angelegenheiten. Eine entsprechende Anwendung des § 16 Nr. 4 RVG auf die außergerichtliche Tätigkeit ist unzulässig, denn die Vorschrift gilt nur für gerichtliche Verfahren, nicht aber für die Beratungshilfe (so zuletzt OLG Köln AGS 2009, 422 = FamRZ 2009, 1345 = Rpfleger 2009, 516 = OLGR 2009, 818; OLG Düsseldorf AGS 2009, 79 = JurBüro 2009, 39 = OLGR 2009, 154 = NJW-RR 2009, 430 = FamRZ 2009, 1244 = Rpfleger 2009, 90; OLG Frankfurt/M. AGS 2009, 593 = FamRZ 2010, 230).

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