Hauptanwendungsfall Sachverständigentermin
Darüber hinaus kommt eine Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 VV in Betracht, wenn der Anwalt an dem vom gerichtlichen Sachverständigen anberaumten Termin teilnimmt.
Beispiel 3
Der Anwalt leitet ein selbstständiges Beweisverfahren über Baumängel i.H.v. 30.000,00 EUR ein. Es findet ein Sachverständigentermin am Bauobjekt statt, an dem der Anwalt teilnimmt.
Auch hier entsteht neben der 1,3-Verfahrensgebühr eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV, da diese Gebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 VV auch für die Teilnahme an außergerichtlichen Terminen entsteht, die ein gerichtlich bestellter Sachverständiger angeordnet hat.
Abzurechnen ist wie in Beispiel 1.
Diese Tatbestandsvariante hat gerade im selbstständigen Beweisverfahren ihren Hauptanwendungsbereich. Im Erkenntnisverfahren hat diese Tatbestandsvariante keine große Bedeutung, da in der Regel vor einem Beweistermin mündlich verhandelt worden ist. Lediglich in den Fällen des § 358a ZPO hat diese Vorschrift Bedeutung.
Erforderlich ist die Teilnahme am Sachverständigentermin. Wird der Termin anberaumt, kommt es dann aber nicht mehr zur Durchführung des Termins, fällt die Terminsgebühr im Beweisverfahren – ebenso wie im Erkenntnisverfahren – nicht an.
Keine Terminsgebühr ohne Termin
Daher entsteht keine Terminsgebühr, wenn zwar der Beweisbeschluss ergangen ist, es aber nicht mehr zur Durchführung des Beweistermins gekommen ist.
Keine Terminsgebühr bei schriftlichem Gutachten
Ebenso wenig entsteht die Terminsgebühr, wenn nur ein schriftliches Gutachten eingeholt und der Beweisantrag vor der mündlichen Verhandlung zurückgenommen wird.
Wird die Klage zurückgenommen, nachdem das Gericht gem. § 358a ZPO vorbereitend ein Sachverständigengutachten eingeholt hat, so fällt für den Beklagtenvertreter keine Terminsgebühr an, da die Ausnahmeregelungen der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV auf diesen Sachverhalt nicht analog anwendbar sind.
OLG Koblenz, Beschl. v. 19.7.2007 – 14 W 543/07, AGS 2008, 69 = JurBüro 2008, 196 = NJW-Spezial 2008, 91
Erscheinen reicht aus
Andererseits ist es nicht erforderlich, dass der Anwalt für die gesamte Dauer am Beweistermin teilnimmt. Da es sich insoweit um eine Pauschalgebühr handelt, genügt es, dass der Anwalt für einen kurzen Zeitraum, also die berühmte "juristische Sekunde" an dem Termin teilnimmt. So reicht es, wenn der Anwalt zu Beginn der Beweisaufnahme erscheint, auch wenn er dann bei der Durchführung der Beweiserhebungen nicht mehr anwesend ist. Umgekehrt reicht es, wenn der Anwalt erst im Laufe der Beweiserhebungen hinzukommt.
Termin beginnt mit den Feststellungen zur Anwesenheit
Der Sachverständigentermin beginnt in dem Moment, in dem der Sachverständige die ersten Feststellungen zum Erscheinen der anwesenden Personen trifft. Der Termin beginnt nicht erst mit der eigentlichen Beweiserhebung. Daher zählt z.B. auch die Feststellung der Identität einer zu begutachtenden Person bereits zur Beweisaufnahme und löst die Terminsgebühr aus.
Eine vom Gegner zu ersetzende Terminsgebühr kann auch dann entstehen, wenn der Verfahrensbevollmächtigte zu einem von einem medizinischen Sachverständigen anberaumten Untersuchungstermin erscheint und an der Identifikation der zu untersuchenden Person – des Verfahrensgegners – teilnimmt, jedoch bei der eigentlichen medizinischen Untersuchung nicht mehr anwesend ist.
OLG Zweibrücken, Beschl. v. 5.7.2016 – 6 W 37/16, AGS 2017, 63 = NJW-RR 2017, 63 = FamRZ 2017, 393 = RVGprof. 2016, 208 = NJW-Spezial 2017, 59 = RVGreport 2017, 57
Erstattungsfähigkeit
Die Terminsgebühr für die Teilnahme an einem Sachverständigentermin ist auch erstattungsfähig. Auch wenn in einem solchen Termin keine juristischen Erörterungen stattfinden, haben die Anwälte die Möglichkeit, dem Sachverständigen Frage zu stellen. Zudem müssen sie überwachen, dass die Beweisaufnahme ordnungsgemäß abläuft. Des Weiteren müssen sie sich ein Bild von dem zu begutachtenden Objekt verschaffen, um später das Gutachten des Sachverständigen überprüfen und würdigen zu können. Daher ist die Teilnahme am Sachverständigentermin notwendig i.S.d. § 91 ZPO (BGH Rpfleger 2005, 328 = NJW-RR 2005, 725 = MDR 2005, 657 = FamRZ 2005, 701 = RVGreport 2005, 233 = NJW 2005, 2017 = JurBüro 2005, 388; AG Zeitz AGS 2019, 45).
AGKompakt 2/2019, S. 14 - 16