Einführung
Bei einem selbstständigen Beweisverfahren handelt es sich um ein Verfahren, das nach Teil 3 VV abgerechnet wird. Folglich kann hier auch eine Terminsgebühr anfallen.
I. Keine fiktive Terminsgebühr
Fiktive Terminsgebühr nicht möglich
Eine Terminsgebühr ist hier allerdings nur als "echte Terminsgebühr" möglich. Eine "fiktive Terminsgebühr" kann nicht entstehen. Voraussetzung für eine fiktive Terminsgebühr ist nämlich, dass ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung zugrunde liegt. Bei einem selbstständigen Beweisverfahren handelt es sich jedoch nicht um ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung. Nach § 490 Abs. 2 ZPO entscheidet das Gericht durch Beschluss. Wenn aber durch Beschluss entschieden wird, ist nach § 128 Abs. 4 ZPO eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben.
Die Gebühr entsteht daher weder dann, wenn über den Beweisantrag ohne mündliche Verhandlung entschieden wird, noch bei Abschluss eines schriftlichen Vergleichs. Die weiteren Voraussetzungen (Verfahren nach § 495a ZPO oder Anerkenntnis) sind hier ohnehin nicht denkbar.
II. Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 VV
Unter den Voraussetzungen der Vorbem. 3 Abs. 3 VV kann die Terminsgebühr im selbstständigen Beweisverfahren in drei Varianten entstehen.
1. Wahrnehmung eines gerichtlichen Termins
Gerichtlicher Termin ist möglich
Auch wenn im selbstständigen Beweisverfahren ein gerichtlicher Termin nicht vorgeschrieben ist (§ 490 Abs. 2 ZPO), kann das Gericht hier doch einen Termin anberaumen, nämlich zur Erörterung der Sach- und Rechtslage oder zur Anhörung des Sachverständigen. Kommt es zu einem solchen Termin, löst dies nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV die Terminsgebühr aus.
Beispiel 1
Beantragt ist die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens über Baumängel i.H.v. 30.000,00 EUR. Nach Eingang des schriftlichen Gutachtens beraumt das Gericht nach § 493 Abs. 3 ZPO einen Erörterungstermin an, an dem der Anwalt teilnimmt.
Jetzt kommt zur 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV auch eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV hinzu, da diese Gebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV, bei jedem gerichtlichen Termin entsteht.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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1.121,90 EUR |
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(Wert: 30.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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1.035,60 EUR |
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(Wert: 30.000,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
2.177,50 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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413,73 EUR |
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Gesamt |
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2.591,23 EUR |
2. Besprechung zur Vermeidung oder Erledigung eines Verfahrens
Vermeidungs- oder Erledi gungsbesprechung ist möglich
Darüber hinaus kann die Terminsgebühr auch dadurch anfallen, dass der Anwalt im selbstständigen Beweisverfahren mit dem Gegner oder dessen Bevollmächtigten eine Besprechung führt, um das Beweisverfahren zu erledigen und/oder das Hauptsacheverfahren zu vermeiden. Kommt es zu einer solchen Besprechung, dann löst dies die Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV aus.
Beispiel 2
Beantragt ist die Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens über Baumängel i.H.v. 30.000,00 EUR. Nach Eingang des schriftlichen Gutachtens führen die Anwälte eine Besprechung zur Erledigung des Verfahrens.
Auch hier entsteht neben der 1,3-Verfahrensgebühr eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV hinzu, da diese Gebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV auch für die Mitwirkung an Besprechungen zur Erledigung oder Vermeidung eines Verfahrens entsteht. Dass im Verfahren eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist, ist unerheblich.
Abzurechnen ist wie im vorangegangenen Beispiel 1.
Terminsgebühr entsteht auch aus einem eventuellen Mehrwert
Werden in einem selbstständigen Beweisverfahren Verhandlungen auch über weitere, dort nicht anhängige Gegenstände geführt, entsteht die Terminsgebühr auch aus dem Mehrwert.
Führen die Parteien im selbstständigen Beweisverfahren in einem gerichtlichen Termin ein Gespräch über weitere, nicht rechtshängige Ansprüche, ist die Terminsgebühr unter Berücksichtigung des Wertes dieser Ansprüche sowie desjenigen des Streitgegenstands festzusetzen, selbst wenn es insoweit nicht zu einer Einigung kommt.
OLG Celle, Beschl. v. 26.6.2008 – 4 W 73/08, AGS 2009, 84
3. Teilnahme am Sachverständigentermin
Hauptanwendungsfall Sachverständigentermin
Darüber hinaus kommt eine Terminsgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 VV in Betracht, wenn der Anwalt an dem vom gerichtlichen Sachverständigen anberaumten Termin teilnimmt.
Beispiel 3
Der Anwalt leitet ein selbstständiges Beweisverfahren über Baumängel i.H.v. 30.000,00 EUR ein. Es findet ein Sachverständigentermin am Bauobjekt statt, an dem der Anwalt teilnimmt.
Auch hier entsteht neben der 1,3-Verfahrensgebühr eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV, da diese Gebühr nach Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 VV auch für die Teilnahme an außergerichtlichen Terminen entsteht, die ein gerichtlich bestellter Sachverständiger angeordnet hat.
Abzurechnen ist wie in Beispiel 1.
Diese Tatbestandsvariante hat gerade im selbstständigen Beweisverfahren ihren Hauptanwendungsbereich. Im Erkenntnisverfahren hat diese Tatbestandsvariante keine große Bedeutung, da in der Regel vor einem Beweistermin mündlich verhandelt worden ist. Lediglich in den Fällen des § 358a ZPO hat diese Vorschri...