I. Der Fall
Vorgerichtliche Vergütungsvereinbarung/ VKH im gerichtlichen Verfahren
Die Anwältin hatte die Mandantin in einer Kindschaftssache vertreten. Hierfür wurde ein Pauschalhonorar i.H.v. 500,00 EUR zzgl. Umsatzsteuer vereinbart und auch gezahlt. Im Anschluss daran kam es zu einem gerichtlichen Verfahren, für das der Mandantin Verfahrenskostenhilfe (VKH) bewilligt und ihre bereits vorgerichtlich tätige Anwältin beigeordnet wurde. Nach Abschluss des Verfahrens will die Anwältin abrechnen und fragt, ob die vorgerichtliche Vergütung der Landeskasse mitgeteilt werden muss und ggfs. auf die VKH-Vergütung anzurechnen ist.
II. Anrechnung
Keine Geschäftsgebühr angefallen
Anzurechnen ist im gerichtlichen Verfahren gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV eine vorangegangene Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV. Eine solche Geschäftsgebühr hatte die Anwältin aber nicht verdient, da sie mit der Mandantin eine abweichende Vergütungsvereinbarung getroffen hatte. Die vereinbarte Vergütung ist zwar anstelle der Geschäftsgebühr vereinbart worden. Dadurch wird sie jedoch nicht zur Geschäftsgebühr, sondern bleibt eine vereinbarte Vergütung.
Keine Anrechnung vereinbarter Vergütungen
Für vereinbarte Vergütungen gibt es keine Anrechnungsvorschriften. Vielmehr ist es so, dass vereinbarte Vergütungen nicht anzurechnen sind, es sei denn, eine Anrechnung ist zwischen den Parteien vereinbart, was hier nicht der Fall war.
Keine Anrechnung einer vereinbarten Vergütung für außergerichtliche Vertretung
Eine auf die Verfahrensgebühr anrechenbare Geschäftsgebühr entsteht nicht, wenn die Partei mit ihrem Prozessbevollmächtigten für dessen vorgerichtliche Tätigkeit eine nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz zulässige Vergütungsvereinbarung getroffen hat.
BGH, Beschl. v. 9.9.2009 – Xa ZB 2/09, FamRZ 2009, 2082 = NJW-RR 2010, 359 = RVGreport 2010, 32
Eine Anrechnung der Geschäfts- auf die Verfahrensgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV ist ausgeschlossen, wenn zwischen der erstattungsberechtigten Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten keine Geschäftsgebühr i.S.v. Nr. 2300 VV entstanden ist, sondern vielmehr eine zulässige Honorarvereinbarung getroffen wurde (Festhaltung BGH, 18.8.2009 – VIII ZB 17/09, NJW 2009, 3364).
BGH, Beschl. v. 16.10.2014 – III ZB 13/14, zfs 2015, 105 = AnwBl 2015, 274 = AGS 2015, 147 = RVGreport 2015, 72
Etwas anderes gilt nur, wenn die Vergütungsvereinbarung den Tatbestand der Geschäftsgebühr unberührt lässt und lediglich deren Höhe modifiziert, etwa wenn nur die Höhe des Gebührensatzes oder des Gegenstandswerts vereinbart wird. Dann ist im Zweifel anzunehmen, dass i.Ü. die gesetzliche Regelung gelten soll, also auch die Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV.
Der Ausschluss der Anrechnung gilt dabei nicht nur im Innenverhältnis zwischen Anwalt und Mandant, sondern auch im Außenverhältnis hinsichtlich der Kostenerstattung. Eine erstattungsberechtigte Partei, die vorgerichtlich eine Vergütung vereinbart hatte, muss sich diese vereinbarte Vergütung nicht nach § 15a Abs. 2 RVG im gerichtlichen Verfahren anrechnen lassen. Auch eine fiktive Anrechnung kommt nicht in Betracht. Man kann der erstattungsberechtigten Partei nicht vorwerfen, dass sie aus Gründen der Kostenminderung vorgerichtlich eine Vergütungsvereinbarung getroffen hat.
Keine Anrechnung einer vereinbarten Vergütung für außergerichtliche Vertretung
Die Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV kommt nicht in Betracht, wenn zwischen der erstattungsberechtigten Partei und ihrem Prozessbevollmächtigten keine Geschäftsgebühr i.S.v. Nr. 2300 VV entstanden ist, sondern sie ihrem Prozessbevollmächtigten für dessen vorprozessuales Tätigwerden ein von einzelnen Aufträgen unabhängiges Pauschalhonorar schuldet.
BGH, Beschl. v. 18.8.2009 – VIII ZB 17/09, AGS 2009, 523 = NJW 2009, 3364 = ZIP 2009, 2313 = BGHReport 2009, 1234 = AnwBl 2009, 878 = Rpfleger 2010, 49 = JurBüro 2010, 22 = VersR 2010, 685 = FamRZ 2009, 1905 = RVGreport 2009, 433 = RVGprof. 2009, 199 = MDR 2009, 1417
Auch keine Anrechnung gegenüber der Landeskasse
Nichts anderes kann dann aber auch im Rahmen der Festsetzung der PKH- oder VKH-Vergütung gelten. Auch die Landeskasse kann sich nur dann auf eine Anrechnung berufen, wenn eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV geschuldet und bezahlt ist oder wenn die Landeskasse selbst eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV gezahlt hat (Anm. zu Nr. 2503 VV).
Einer bedürftigen Partei kann auch nicht vorgeworfen werden, dass sie vorgerichtlich eine Vergütungsvereinbarung getroffen und damit die Anrechnung "ausgehebelt" habe.
III. Mitteilung im Festsetzungsverfahren
Keine Mitteilungspflicht für vereinbarte Vergütungen
Im Vergütungsfestsetzungsverfahren muss der Anwalt angeben, ob er von der bedürftigen Partei Vorschüsse oder Zahlungen auf anzurechnende Beträge erhalten hat (§ 55 Abs. 5 S. 2 u. 3 RVG).
Da eine Vergütung aus einer Vergütungsvereinbarung nicht anzurechnen ist, braucht der Anwalt Zahlungen darauf also auch nicht anzugeben. Letztlich schadet es aber auch nichts, die Zahlungen anzugeben, da sie jedenfalls nicht ...