Leitsatz
Ein wettbewerbsrechtliches Abschlussschreiben ist nicht lediglich als einfaches Schreiben i.S.d. Nr. 2302 VV anzusehen, sondern in Höhe einer 0,8-Geschäftsgebühr zu vergüten.
OLG Hamburg, Urt. v. 23.4.2009 – 3 U 151/07
I. Der Fall
Der anwaltlich vertretene Kläger hatte den Beklagten wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens abgemahnt und, nachdem der Beklagte darauf nicht reagierte, den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragt. Hiernach beauftragte der Kläger seinen Anwalt mit einem sog. Abschlussschreiben, mit dem der Beklagte aufgefordert wurde, die einstweilige Verfügung als endgültig anzuerkennen und auf seine Rechte auf Abänderung und Widerspruch etc. zu verzichten. Da der Beklagte darauf nicht reagierte, wurde sodann Hauptsacheklage erhoben. Im Rahmen dieses Klageverfahrens machte der Kläger im Wege des materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruchs auch eine 0,8-Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV für das Abschlussschreiben geltend. Der Beklagte berief sich u.a. darauf, die 0,8-Geschäftsgebühr sei zu hoch. Es sei hier lediglich eine 0,3-Gebühr nach Nr. 2302 VV für ein sog. einfaches Schreiben entstanden.
Das LG hatte die Klage abgewiesen. Die Berufung hatte Erfolg.
II. Die Entscheidung
Zur Höhe des Anspruchs ist der Senat – anders als das LG – der Auffassung, dass das Abschlussschreiben nicht lediglich als einfaches Schreiben i.S.d. Nr. 2302 VV anzusehen ist. Es erschöpft sich nicht in einer bloßen Bezugnahme auf die bereits ergangene einstweilige Verfügung, sondern verfolgt bekanntermaßen das Ziel, den Verzicht auf sämtliche Gegenrechte des Antragsgegners zu bewirken. Selbst wenn der Rechtsanwalt im Zweifel auf Formulare oder Textbausteine zurückgreifen sollte, dürfte der Schwierigkeitsgrad eines solchen Schreibens deutlich über demjenigen von Zahlungsaufforderungen, Mahnungen oder Einwohnermeldeamtsanfragen liegen, also solchen Schreiben, die anerkanntermaßen unter Nr. 2302 VV fallen. Der Senat hält die veranschlagte Gebühr von 0,8 auch für angemessen.
III. Der Praxistipp
Abschlussschreiben ist grundsätzlich Geschäftstätigkeit
Ein Abschlussschreiben ist grundsätzlich Geschäftstätigkeit i.S.d. Nr. 2300 VV. Es gehört keinesfalls mehr zum vorausgegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren (BGH AGS 2008, 1744 = NJW 2008, 1744 = WRP 2008, 805 = MDR 2008, 650 = BGHReport 2008, 673 = VersR 2008, 985 = JurBüro 2008, 361 = RuS 2008, 446 = RVGreport 2008, 184 = AnwBl 2008, 550). Lediglich dann, wenn bereits Klageauftrag zur Hauptsache besteht, würde die Abmahnung als Vorbereitung der Klage nach § 19 Abs. 1 S. 2 RVG bereits durch die Verfahrensgebühr der Nr. 3100 VV abgegolten und im Zweifel eine 0,8-Gebühr nach Nr. 3101 Nr. 1 VV auslösen. Hier war jedoch ein Auftrag zu außergerichtlicher Vertretung erteilt, so dass nach Teil 2 VV abzurechnen war.
Der Auftrag beschränkt sich bei einem isolierten Abschlussschreiben zwar nur auf ein einziges Schreiben. Der Gebührentatbestand der Nr. 2302 VV ist dennoch nicht erfüllt, weil es sich nicht um ein einfaches Schreiben handelt, sondern – wie das LG zu Recht ausführt – eine Auseinandersetzung mit der Sach- und Rechtslage erfordert.
Abmahnung und Abschlussschreiben sind eine Angelegenheit
Unzutreffend war es hier allerdings, für das Abschlussschreiben eine gesonderte Geschäftsgebühr anzusetzen, da der Anwalt des Klägers von diesem bereits mit der Abmahnung beauftragt worden war. Sowohl Abmahnung als auch Abschlussschreiben sind außergerichtliche Tätigkeiten. Beide betreffen den Hauptsacheanspruch und nicht lediglich die vorläufige Regelung. Mit beiden Schreiben (Abmahnung und Abschlussschreiben) wird die endgültige Unterlassung des wettbewerbswidrigen Verhaltens verlangt. Es wird nicht etwa weiterhin eine vorläufige Regelung verlangt. Über diese ist ja bereits entschieden. Vielmehr wird mit der Abschlusserklärung der Hauptsacheanspruch auf Unterlassung wieder aufgenommen und geltend gemacht, so dass für Abmahnung und Abschlussschreiben insgesamt nur eine einzige Geschäftsgebühr anfällt (KG RVGreport 2006, 344 = KGR 2006, 850).