Leitsatz
1. Der Ausschluss der Kostenerstattung nach § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG steht der Erstattung und Festsetzung von Reisekosten der Partei nicht entgegen.
2. Ebenso können auch die Reisekosten des Prozessbevollmächtigten erstattungsfähig sein, und zwar in Höhe der fiktiven Reisekosten der auswärtigen Partei, die bei Beauftragung eines gerichtsansässigen Anwalts entstanden wären.
LAG Hessen, Beschl. v. 28.10.2009 – 13 Ca 541/09
I. Der Fall
Durch Urteil des ArbG wurden dem Beklagten die Kosten des Rechtsstreits teilweise auferlegt. Der Kläger beantragte daraufhin die Festsetzung von Reisekosten und zwar zum einen seine eigenen Reisekosten vom Wohnort bis zum Gerichtsort und darüber hinaus auch die Reisekosten des am Wohnsitz der Partei ansässigen Rechtsanwalts bis zum Gericht, diese allerdings beschränkt auf die Höhe der fiktiven Kosten einer eigenen Informationsreise.
Das Gericht hat antragsgemäß festgesetzt. Die Beschwerde blieb ohne Erfolg.
II. Die Entscheidung
Kein Erstattungsausschluss für Reisekosten der Partei
Es ist zwar zutreffend, dass § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG einen Erstattungsanspruch der obliegenden Partei im Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs für die Entschädigung wegen Zeitversäumnis und für die Kosten der Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder eines Beistandes ausschließt. Nicht in § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG erwähnt und damit nicht dem Erstattungsausschluss unterworfen sind aber sonstige Parteiauslagen, wie z.B. Reisekosten der Partei selbst. Diese sind erstattungs- und festsetzungsfähig.
Reisekosten des Anwalts sind in Höhe der ersparten Parteireisekosten ebenfalls erstattungsfähig
Darüber hinaus sind auch die Reisekosten des Anwalts in Höhe der hypothetischen Reisekosten der Partei erstattungsfähig. Dies sind solche Kosten, die der Partei selbst entstanden wären, hätte sie keinen Prozessbevollmächtigten hinzugezogen oder hätte sie einen gerichtsansässigen Anwalt beauftragt. Diese Erstattungsmöglichkeit ergibt sich aus dem allgemeinen Grundsatz des Kostenerstattungsrechts, nach dem auch nicht erstattungsfähige Kosten in der Höhe zu erstatten sind, in der durch sie erstattungsfähige Kosten erspart wurden (sogenannte hypothetische Parteikostenerstattung). Hintergrund dieser Regelung ist, dass durch den Ausschluss der Kostenerstattung zwar einerseits das Kostenrisiko für die unterliegende Partei beschränkt, jedoch andererseits keine unberechtigten Kostenvorteile durch die Hinzuziehung eines Prozessvertreters durch den Gegner geschaffen werden können. Insofern sind in einer hypothetischen Berechnung die Kosten zu ermitteln, die der obsiegenden Partei bei eigenem Tätigwerden entstanden und zu erstatten gewesen wären. In derselben Höhe sind dann auch die Kosten des Prozessbevollmächtigten erstattungsfähig.
III. Der Praxistipp
Die Entscheidung ist zutreffend und entspricht ganz einhelliger Rspr.
Nur die Entschädigung für das Zeitversäumnis der Partei ist durch § 12a ArbGG ausgeschlossen. Auslagen der Partei im Übrigen sind dagegen erstattungsfähig, also insbesondere Reisekosten (Kilometergeld, Parkgebühren etc.). Für die Berechnung der Reisekosten gilt § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO i.V.m. den Vorschriften des JVEG.
Der unterliegenden Partei soll kein ungerechtfertigter Kostenvorteil verschafft werden
Obwohl eine Erstattung der Anwaltskosten grundsätzlich ausgeschlossen ist, sind diese aber nach ganz einhelliger Auffassung insoweit zu erstatten, als durch die Einschaltung eines Anwalts Parteireisekosten vermieden worden sind. Da § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG nur das Prozessrisiko für die unterliegende Partei begrenzen will, ihr jedoch kein ungerechtfertigter Kostenvorteil verschafft werden soll, sind die durch die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts entstandenen Kosten bis zur Höhe ersparter eigener Reisekosten erstattungsfähig (LAG Hamburg ArbRB 2010, 17 = RVGreport 2010, 33; LAG Schleswig, Beschl. v. 18.3.2009 – 3 Ta 30/09; LAG Berlin AP Nr. 4 zu § 61 ArbGG 1953; LAG München AP Nr. 25 zu § 61 ArbGG 1953; LAG Nürnberg AnwBl 1988, 181; LAG München NZA-RR 2002, 161 = BRAGOreport 2003, 60 (Hansens); LAG Rheinland-Pfalz AnwBl 1988, 299; LAG Düsseldorf LAGE Nr. 6 zu § 12a ArbGG 1979). Folglich können tatsächlich entstandene Anwaltskosten in der Höhe erstattet verlangt werden, die die Partei für eine sonst notwendige Reise aufgewandt hätte. Das können Reisekosten der Partei zwecks Aufnahme der Klage zur Niederschrift der Geschäftsstelle sein, aber auch Reisekosten zum Verhandlungstermin vor dem ArbG. Der Höhe nach sind diese ersparten Reisekosten begrenzt durch die tatsächlich angefallenen Anwaltskosten. Für die Berechnung der ersparten Reisekosten gilt § 91 Abs. 1 S. 2 ZPO i.V.m. den Vorschriften des JVEG.
Der in A wohnende Mandant will eine Kündigungsschutzklage vor dem ArbG B erheben. Die Entfernung zwischen A und B beträgt 30 km. Er beauftragt einen Anwalt in A, der alleine an der Güteverhandlung teilnimmt. Es kommt dann später zum Kammertermin, an dem A neben dem Anwalt teilnimmt. Der Kündigungsschutzklage wird stattgegeben. Die Kosten werden dem Beklagten auferleg...