Leitsatz
War dem Berufungskläger in erster Instanz ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden und verbindet er die zur Fristwahrung eingelegte Berufung mit einem Prozesskostenhilfeantrag, kann nicht davon ausgegangen werden, dem erstinstanzlichen Prozessbevollmächtigten des Berufungsbeklagten sei auch für die zweite Instanz konkludent ein Auftrag erteilt worden (Abgrenzung zum Senatsbeschluss vom 6.8.2007 – 14 W 578/07).
OLG Koblenz, Beschl. v. 26.8.2009 – 14 W 538/09
I. Der Fall
Der Kläger, dem in erster Instanz ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden war, hatte Berufung eingelegt und gleichzeitig für das Berufungsverfahren Prozesskostenhilfe beantragt. Daneben hatte er zeitgleich mit der Berufungseinlegung den Beklagtenvertreter angeschrieben und ihm mitgeteilt, dass die Berufung lediglich zur Fristwahrung eingereicht werde, und ihn gebeten, zunächst von einer Bestellung Abstand zu nehmen. Nachdem das OLG den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen hatte, nahm der Kläger seine Berufung zurück. Die Beklagten beantragten sodann die Festsetzung einer 1,1-Verfahrensgebühr nach Nrn. 3200, 3201 VV. Sie begründeten dies damit, nach Zustellung der Rechtsmittelschrift hätten ihre Anwälte geprüft, ob etwas zu veranlassen sei. Ein ausdrückliches Berufungsmandat sei zwar weder von den Beklagten noch von deren Haftpflichtversicherer erteilt worden. Nach der Rspr. des erkennenden Senats streite aber eine Vermutung dafür, dass der erstinstanzliche Bevollmächtigte auch für die zweite Instanz beauftragt sei (OLG Koblenz AGS 2008, 1018 = OLGR 2008, 284 = JurBüro 2008, 196 = FamRZ 2008, 1018 = AGS 2008, 435 = NJW-Spezial 2008, 667).
II. Die Entscheidung
Das Gericht hat den Festsetzungsantrag zurückgewiesen. Es ist davon ausgegangen, dass die Prozessbevollmächtigten der Beklagten noch keinen Auftrag für das Berufungsverfahren erhalten hatten und damit eine Verfahrensgebühr im Berufungsverfahren gar nicht angefallen sei.
Eine Tätigkeit im Berufungsverfahren nach außen hin ist grundsätzlich nicht erforderlich
Dass der Prozessbevollmächtigte eines Berufungsbeklagten sich nicht ausdrücklich bestellt hatte und auch anderweitig nicht in Erscheinung getreten war, steht allerdings nach Auffassung des OLG Koblenz dem Anfall und der Erstattungsfähigkeit der Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren noch nicht entgegen. In der zitierten Entscheidung hatte das OLG Koblenz seinerzeit bereits festgestellt: „Auch bei alsbaldiger Rechtsmittelrücknahme verdient der Prozessbevollmächtigte des Berufungsbeklagten die Verfahrensgebühr bereits dadurch, dass er die Berufungsschrift entgegennimmt, die Zulässigkeit des Rechtsmittels prüft und seinen Mandanten informiert. Dass der Anwalt gegenüber dem Gericht in Erscheinung tritt, ist nicht erforderlich.“
Ein ausdrücklicher Auftrag für das Berufungsverfahren ist grundsätzlich nicht erforderlich
Auch den Einwand, es fehle an einem gesonderten Auftrag für das Berufungsverfahren, lässt das OLG grundsätzlich nicht gelten. Insoweit heißt es in der zitieren Entscheidung weiter: „Der Einwand, es fehle an einem Prozessauftrag, ist unerheblich, wenn der in erster Instanz bevollmächtigte Anwalt im Berufungsverfahren tätig wird. Er ist in der Regel als beauftragt anzusehen, die Partei auch in zweiter Instanz zu vertreten.“
Keine Annahme eines konkludenten Auftrags bei Vermögenslosigkeit des Berufungsklägers
Hier verhielt es sich nach Auffassung des OLG Koblenz jedoch anders. Etwas anderes gelte nämlich dann, wenn der Berufungsführer ersichtlich vermögenslos sei. Dann gehe nämlich das Interesse des Berufungsgegners dahin, keine Kosten auszulösen, die er im Falle der Kostenerstattung gegebenenfalls nicht mehr beitreiben könne. In diesem Fall könne nicht mehr von einem konkludenten Auftrag ausgegangen werden.
III. Der Praxistipp
Der sicherste Weg: Ausdrückliche Bestellung im Berufungsverfahren
Der Anwalt sollte sich nicht auf einen Streit einlassen, ob von einer konkludenten Mandatierung im Berufungsverfahren ausgegangen werden kann. Der sicherste Weg ist es, sich ausdrücklich einen Auftrag für das Berufungsverfahren erteilen zu lassen und sich dann zu bestellen. Dann ist der erteilte Auftrag aktenkundig und evident.