I. Der Fall
Der Rechtspfleger des LG erlässt einen Kostenfestsetzungsbeschluss (§ 104 ZPO). Der Streitwert ist auf 20,00 EUR festgesetzt worden. Eine sofortige Beschwerde ist daher ausgeschlossen, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes nicht 200,00 EUR übersteigt (§ 567 Abs. 2 ZPO). Stattdessen gibt es nach § 11 Abs. 2 S. 2 RPflG die Erinnerung.
Der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers legt dagegen Erinnerung ein und schreibt – wie weitgehend üblich: „Gegen den Beschluss ... lege ich Erinnerung ein", die er auch begründet. Das LG weist sie als unzulässig zurück und begründet das damit, dass der Anwalt die Erinnerung im eigenen Namen eingelegt habe, nicht im Namen des Mandanten. Mit den Kosten des Erinnerungsverfahrens belastet die Kammer den Prozessbevollmächtigten (§ 97 Abs. 1 ZPO).
II. Die Entscheidung
Erinnerung ist auszulegen
Diese Entscheidung ist falsch. Es ist nicht erforderlich, in einer Erinnerungsschrift darauf hinzuweisen, dass es sich um einen Rechtsbehelf der vom Anwalt vertretenen Partei handele. Das ergibt sich ohne weiteres aus dem Gesetz, nämlich aus § 81 ZPO, § 164 Abs. 1 S. 2 BGB. Die Prozessvollmacht ermächtigt zu allen den Rechtsstreit betreffenden Prozesshandlungen, also auch zur Einlegung der Erinnerung. Dass alle Prozesshandlungen für die Partei vorgenommen werden, braucht nicht hervorgehoben zu werden. Für das Streitwertbeschwerdeverfahren ist das höchstrichterlich entschieden (BGH AGS 2003, 450). Die von einem Anwalt ohne nähere Angaben eingelegte Streitwertbeschwerde ist als Parteibeschwerde zu behandeln, wenn sie wegen zu hoher Wertfestsetzung und als Anwaltsbeschwerde, wenn sie wegen zu niedriger Wertfestsetzung eingelegt worden ist. Grundsätzlich heißt es dazu in BGH VersR 1990, 1134, 1135: „Das Vorbringen einer Partei ist so auszulegen, wie es nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und ihrem Interesse entspricht."
Hier kommt noch hinzu, dass das LG auch gegen die Hinweispflicht des § 139 ZPO verstoßen hat. Es durfte den Prozessbevollmächtigten nicht mit einer so abwegigen Auslegung überraschen, ohne ihm Gelegenheit gegeben zu haben, Zweifel der Kammer auszuräumen.
III. Der Praxistipp
Der Prozessbevollmächtigte hatte gegen die Entscheidung des LG sofortige Beschwerde eingelegt, dabei aber übersehen, dass sie mangels hinreichender Beschwer unzulässig war (§ 567 Abs. 2 ZPO). Das LG legt die Sache dem OLG vor, ohne seine Abhilfemöglichkeit zu prüfen. Dass das Gericht der angefochtenen Entscheidung bei einer unzulässigen Beschwerde weder abhelfen darf noch gar muss, wird vielfach angenommen (MünchKommZPO/Lipp, 3. Aufl. 2007, § 572 Rn 6; Prütting/Gehrlein/Lohmann, ZPO, 2010, § 572 Rn 3; OLG Frankfurt NJW-RR 2007, 1142).
Das OLG hat die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen, weil der Zulässigkeitswert nicht erreicht war. Der Rechtsanwalt bleibt also Kostenschuldner. An dieser Entscheidung konnte das OLG nicht vorbeikommen, obwohl es darauf hinwies, dass der angefochtene Beschluss falsch sei.
Das Ergebnis ist unbefriedigend. Es ist aber dem Anwalt zuzurechnen. Er hätte für seine Partei (und auch für sich) Anhörungsrüge nach § 321a ZPO mit der Begründung einlegen müssen, die Kammer habe sein Vorbringen nicht berücksichtigt. Sie sei nicht darauf eingegangen, weil sie irrig den Prozessbevollmächtigten als Partei behandelt und dabei auch noch gegen die Hinweispflicht des § 139 ZPO verstoßen habe. Dann hätte sich die Kammer mit der Frage auseinandersetzen und begründen müssen, warum sie von der grundsätzlich wohlwollenden Auslegung von Prozesshandlungen absehe und wieso die §§ 81 ZPO, 164 Abs. 1 S. 2 BGB nicht einschlägig waren. Das hätte im Ergebnis wohl dazu führen müssen, der Anhörungsrüge stattzugeben und das Verfahren als Erinnerungsverfahren der Partei fortzuführen (§ 321a Abs. 5 S. 1 ZPO).