Leitsatz
Ein im Termin erklärtes Einverständnis des Prozessbevollmächtigten führt weder zum Verlust des Beschwerderechts der Partei, noch lässt es die Beschwer entfallen.
OLG Karlsruhe, Beschl. v. 19.10.2009 – 4 W 41/09
I. Der Fall
Im Termin hatte das LG den Streitwert „im Einverständnis“ der Prozessbevollmächtigten festgesetzt. Später legte der Beklagte durch seinen Anwalt Streitwertbeschwerde ein und beantragte, einen geringeren Wert festzusetzen. Die Kläger waren der Auffassung, die Beschwerde sei wegen des erklärten Einverständnisses unzulässig, da dieses konkludent einen Rechtsmittelverzicht enthalte. Zumindest fehle es an einer Beschwer. Das OLG hat die Beschwerde als zulässig behandelt.
II. Die Entscheidung
Einverständnis lässt nicht die Beschwer entfallen
1. Der Beklagte ist beschwert, weil ein höherer Streitwert zu einer höheren Kostenlast für den Beklagten führt. Die Stellungnahme seines Anwalts zum Streitwert im Termin hat auf die Beschwer keine Auswirkungen, denn der Streitwert ist vom Gericht von Amts wegen richtig festzusetzen. Anträge der Parteien spielen hier keine Rolle. Das Gericht ist an Stellungnahmen und Meinungsäußerungen der Parteien und ihrer Prozessbevollmächtigten nicht gebunden. Dementsprechend kann es sich bei einem „Einverständnis“ mit einer bestimmten Wertfestsetzung nur um eine Anregung bzw. um eine unverbindliche Stellungnahme (der Partei oder des Rechtsanwalts) handeln. Diese hat zwar vielfach Bedeutung für die Feststellung des bei der Wertfestsetzung maßgeblichen Sachverhalts durch das Gericht (siehe § 61 GKG). Auf die Beschwer kann eine solche Stellungnahme jedoch keinen Einfluss haben (OLG Celle JurBüro 2005, 429; OLG Düsseldorf NJW-RR 2008, 1697; a.A. OLG Bamberg JurBüro 1975, 1463).
Einverständnis beinhaltet keinen Rechtsmittelverzicht
2. Einem „Einverständnis“ des Beklagtenvertreters mit einer bestimmten Wertfestsetzung kommt auch nicht die Wirkung eines Rechtsmittelverzichts zu. Da ein „Einverständnis“ der Sache nach nur eine unverbindliche Anregung für die Wertfestsetzung des Gerichts darstellen kann (s.o.), besteht in aller Regel kein Anlass, die Erklärung als Rechtsmittelverzicht auszulegen oder umzudeuten (OLG Celle a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.; anders OLG Bamberg a.a.O.; OLG Hamm FamRZ 1997, 691). Es kommt ein weiterer Gesichtspunkt hinzu: Bei der Frage des Streitwerts gibt es einen Interessengegensatz zwischen Anwalt und Partei. Der Beklagte ist – wegen der Kosten – an einem möglichst niedrigen Streitwert interessiert, während sein Prozessbevollmächtigter – im Hinblick auf die Anwaltsgebühren – wirtschaftlich von einem höheren Streitwert profitiert. Dieser generelle Interessengegensatz bei der Frage des Streitwerts würde es verbieten, einen eventuellen Rechtsmittelverzicht des Prozessbevollmächtigten dahingehend auszulegen, dass der Verzicht auch für den Mandanten gelten soll (vgl. OLG Köln a.a.O.).
III. Der Praxistipp
Die Entscheidung ist zutreffend. Nach § 63 Abs. 3 S. 1 GKG kann und muss das Gericht den Streitwert abändern, wenn es erkennt, dass die bisherige Festsetzung falsch war. Daher bedarf es an sich gar keiner Beschwerde, um das Gericht zur richtigen Festsetzung anzuhalten. Folglich kann auch ein Beschwerdeverzicht das Gericht nicht davon entbinden, auf entsprechende Ausführungen eines Beteiligten seine Festsetzung zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren.
Kein Einverständnis abgeben!
Im Hinblick auf die zitierte abweichende Rspr. sollte der Anwalt nie sein Einverständnis mit einer Wertfestsetzung abgeben, sondern für sich und seine Partei eine Überprüfung vorbehalten. Die Erfahrung zeigt, dass erst nachträgliche Überprüfungen anhand der gesamten Akte fehlerhafte Wertfestsetzungen zu Tage fördern.