Einführung
Auch in Familiensachen kommt die sog. fiktive Terminsgebühr in Betracht. Aufgrund der unterschiedlichen Verfahrensarten ist hier eine generelle Betrachtung allerdings nicht möglich. Zu unterscheiden ist danach, in welcher Verfahrensart vorgegangen wird.
I. Familienstreitsachen erster Instanz
1. Überblick
Vier Fälle der fiktiven Terminsgebühr
In erstinstanzlichen Familienstreitsachen entsteht eine fiktive Terminsgebühr in folgenden Fällen:
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Entscheidung im schriftlichen Verfahren im Einverständnis der Beteiligten (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV), |
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Anerkenntnisbeschluss ohne mündliche Verhandlung (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV), |
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Mitwirkung beim Abschluss eines schriftlichen Vergleichs (Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV), |
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Versäumnisbeschluss im schriftlichen Vorverfahren (Anm. Abs. 1 Nr. 2 zu Nr. 3105 VV). |
Die in Zivilsachen vorgesehene weitere Möglichkeit einer Entscheidung nach § 495a ZPO kommt in Familiensachen nicht in Betracht, da § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG nur auf die Verfahren vor den Landgerichten, nicht aber vor den Amtsgerichten Bezug nimmt.
2. Vorgeschriebene mündliche Verhandlung
Mündliche Verhandlung ist vorgeschrieben
In einer Familienstreitsache ist nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 128 Abs. 1 ZPO grds. mündlich zu verhandeln, sodass hier die erste Voraussetzung stets gegeben ist, nämlich dass ein Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung vorliegt.
3. Die verschiedenen Tatbestände
a) Entscheidung im schriftlichen Verfahren
Schriftliche Entscheidung steht mündlicher Verhandlung gleich
Wird im Einverständnis der Beteiligten im schriftlichen Verfahren entschieden, so entsteht für beide Anwälte die Terminsgebühr nach Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV. Voraussetzung ist allerdings, dass eine Entscheidung ergeht. Nicht "das schriftliche Verhandeln" steht der mündlichen Verhandlung gleich, sondern erst die Entscheidung.
Beispiel
Nach Antragseinreichung (Wert: 5.000,00 EUR) ordnet das Gericht im Einverständnis der Beteiligten das schriftliche Verfahren gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 128 Abs. 2 ZPO an und entscheidet durch Beschluss.
Abzurechnen ist wie folgt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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393,90 EUR |
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(Wert: 5.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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363,60 EUR |
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(Wert: 5.000,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
777,50 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
147,73 EUR |
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Gesamt |
|
925,23 EUR |
Keine Terminsgebühr bei freigestellter mündlicher Verhandlung
Bei der Entscheidung muss es sich um eine solche handeln, die das Gericht nur aufgrund der Zustimmung der Beteiligten treffen darf. Soweit das Gericht ohnehin ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, also nicht der Zustimmung der Beteiligten bedarf, entsteht die Terminsgebühr nicht.
Beispiel
Nach Antragseinreichung (Wert: 5.000,00 EUR) wird das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt. Das Gericht entscheidet sodann im schriftlichen Verfahren gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 91a ZPO über die Kosten durch Beschluss.
Da das Gericht über die Kosten stets ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 128 Abs. 3 ZPO), entsteht keine Terminsgebühr.
b) Anerkenntnis
Terminsgebühr für beide Anwälte
Auch dann, wenn im schriftlichen Verfahren ein Anerkenntnisbeschluss ergeht, erhalten die beteiligten Anwälte eine Terminsgebühr. Das gilt sowohl für den Anwalt, der anerkennt, als auch für den Anwalt des Beteiligten, zu dessen Gunsten der Anerkenntnisbeschluss ergeht.
Beispiel
Nach Antragseinreichung (Wert: 5.000,00 EUR) erkennt der Antragsgegner die Forderung an. Das Gericht erlässt einen Anerkenntnisbeschluss.
Abzurechnen ist wie folgt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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393,90 EUR |
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(Wert: 5.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
363,60 EUR |
|
(Wert: 5.000,00 EUR) |
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|
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
777,50 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
147,73 EUR |
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Gesamt |
|
925,23 EUR |
c) Schriftlicher Vergleich
Terminsgebühr auch bei Vergleich
Schließen die Beteiligten einen schriftlichen Vergleich, so entsteht ebenfalls die Terminsgebühr. Hauptanwendungsfall ist der nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO gerichtlich festgestellte Vergleich.
Beispiel
Nach Antragseinreichung (Wert: 5.000,00 EUR) schließen die Beteiligten einen schriftlichen Vergleich, dessen Zustandekommen nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 278 Abs. 6 ZPO gerichtlich festgestellt wird.
Abzurechnen ist wie folgt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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393,90 EUR |
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(Wert: 5.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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363,60 EUR |
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(Wert: 5.000,00 EUR) |
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3. |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV |
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303,00 EUR |
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(Wert: 5.000,00 EUR) |
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4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.080,50 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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205,30 EUR |
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Gesamt |
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1.285,80 EUR |
Gerichtliche Protokollierung oder Feststellung ist nicht erforderlich
Ein gerichtlich protokollierter oder festgestellter Vergleich ist allerdings nicht erforderlich. Die Terminsgebühr entsteht auch bei Abschluss eines privatrechtlichen Vergleichs, also wenn die Beteiligten selbst einen schriftlichen Vergleich schließen, den Streit durch ei...