Einführung
Fehlende Mehrwertfestsetzung
Wird vor Gericht ein Vergleich geschlossen, der auch weitergehende, in diesem Verfahren nicht anhängige Gegenstände erfasst, so hat das Gericht einen Mehrwert festzusetzen. Dieser Mehrwert gilt dann auch für die Berechnung der Anwaltsgebühren (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG). Übersehen wird dabei häufig, dass auch die unterbliebene Festsetzung eines Mehrwerts den Anwalt ebenso bindet wie eine Festsetzung. Wird hier nicht rechtzeitig Beschwerde eingelegt, kann der Anwalt aus dem Mehrwert keine Vergütung mehr abrechnen.
I. Die gerichtliche Wertfestsetzung
Mehrwert des Vergleichs ist grds. von Amts wegen festzusetzen
Soweit ein Vergleich über weitergehende, im Verfahren nicht anhängige Gegenstände geschlossen wird, hat das Gericht einen Vergleichsmehrwert festzusetzen, da daraus die 0,25-Vergleichsgebühr nach Nr. 1900 GKG-KostVerz., Nr. 1500 FamGKG-KostVerz. oder Nr. 17005 GNotKG-KostVerz. erhoben wird. Ist das Gericht der Auffassung, der Vergleich habe keinen Mehrwert, dann wird entweder ein solcher Wert nicht festgesetzt oder sogar deklaratorisch ausgesprochen, dass der Vergleich keinen Mehrwert habe.
II. Die Bindungswirkung der Wertfestsetzung
Festsetzung hat Bindungswirkung
Setzt das Gericht dagegen einen (Mehr-)Wert fest, so ist dieser Wert nach §§ 32 Abs. 1, 23 Abs. 1 RVG auch für die beteiligten Anwälte, Parteien und Beteiligte bindend.
Im Gegenzug steht ihnen die Möglichkeit offen, die gegebenen Rechtsbehelfe und Rechtsmittel gegen diese Wertfestsetzung einzulegen (§ 68 GKG, § 59 FamGKG oder § 83 GNotKG ggfs. i.V.m. § 32 Abs. 2 RVG). Ist aber einmal rechtskräftig festgesetzt, dann bindet dies alle Beteiligten.
Beschwerde möglich
Ist der vom Gericht festgesetzte Mehrwert eines Vergleichs unzutreffend, kann der Anwalt nicht einfach hingehen und nach dem zutreffenden Wert abrechnen; vielmehr bleibt er an die fehlerhafte Wertfestsetzung gebunden und muss nach § 68 GKG, § 59 FamGKG oder § 83 GNotKG Beschwerde oder zumindest eine Gegenvorstellung einlegen. Ist die Abänderungs- bzw. Beschwerdefrist des § 63 Abs. 3 S. 2 GKG, § 55 Abs. 3 S. 2 FamGKG oder § 79 Abs. 2 S. 2 GNotKG abgelaufen, bleibt die dann rechtskräftig gewordene Wertfestsetzung maßgebend.
III. Die Bindungswirkung einer unterbliebenen Wertfestsetzung
Auch fehlende Mehrwertfestsetzung hat Bindungswirkung
Die Bindungswirkung besteht aber nicht nur dann, wenn ein Wert (positiv) festgesetzt wird, sondern auch dann, wenn die Festsetzung eines Mehrwerts unterbleibt, also eine "negative Wertfestsetzung" erfolgt. Wenn das Gericht also entweder erklärt, der Vergleich habe keinen Mehrwert oder es nur den Verfahrenswert festsetzt, ohne auch einen Mehrwert des Vergleichs festzusetzen, bindet dies dahingehend, dass kein Vergleichsmehrwert vorliegt. Der Anwalt ist an diese "Null-Wert-Festsetzung" gebunden.
1. Werden in einem gerichtlichen Vergleich über den Streitgegenstand des anhängigen Verfahrens hinaus weitere Ansprüche geregelt, hat das Gericht neben dem Streitwert für das anhängige Verfahren auch den Streitwert für den Vergleich einschließlich des Vergleichsmehrwertes festzusetzen.
2. Dieser Streitwert ist auch für die Berechnung der Gebühren des Rechtsanwalts hinsichtlich der Einigungsgebühr maßgeblich.
3. Der Anwendungsbereich von § 33 RVG ist nicht eröffnet.
OVG Greifswald, Beschl. v. 4.7.2014 – 1 O 104/12, AGS 2015, 234
IV. Keine gesonderte Wertfestsetzung für die Anwaltsgebühren
Verfahren nach § 33 RVG scheidet aus
Auch eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren scheidet in diesem Fall aus. Eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG ist nur dann zulässig, wenn der Wert der anwaltlichen Tätigkeit vom Wert des gerichtlichen Verfahrens abweicht. Laufen der Wert für die Gerichtsgebühr und der Wert für die Anwaltsgebühren gleich, kommt eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG nicht in Betracht (s.o. OVG Greifswald).
V. Sonderfall: Vergleich über anderweitig anhängige Gegenstände
Keine Festsetzung bei anhängigem Mehrwert
Wird ein Vergleich über anderweitig anhängige Gegenstände geschlossen, fällt keine Gerichtsgebühr für den Vergleich an, da die Gerichtsgebühren für einen gerichtlichen Vergleich seit Inkrafttreten des Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes ausdrücklich voraussetzen, dass der Gegenstand des Vergleichs überhaupt nicht, also auch nicht in einem anderen Verfahren anhängig ist.
Die besondere Gebühr gem. § 3 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1900 GKG-KostVerz. für den Mehrwert eines gerichtlichen Vergleichs entsteht grundsätzlich nicht, wenn nur ein anderweitiges, vor einem deutschen Gericht anhängiges Verfahren, für welches nach den Kostengesetzen eine eigene, das dortige Verfahren insgesamt abgeltende Verfahrensgebühr angefallen ist, miterledigt wird.
LG Mannheim, Beschl. v. 30.7.2013 – 7 O 149/12, AGS 2014, 25 = NJW-Spezial 2014, 59
Wohl aber fallen in diesem Fall für den Anwalt Gebühren aus dem Mehrwert an.
Festsetzung wird im anhängigen Verfahren vorgenommen
Gleichwohl kommt auch hier eine Wertfestsetzung für den Mehrwert des Vergleichs nicht in Betracht. Vielmehr ist es Sache des Gerichts, vor dem die mitverglichenen Ansprüche anhängig waren, deren Wert festzusetzen. Die dortige Wertfestsetzung ist dann auch für den Mehrwert des Vergleichs in dem anderen Verfahren bindend ...