Dr. Julia Bettina Onderka
Zusammenfassung
Die Gebührenvorschriften über das Insolvenzverfahren finden sich in Teil 3 Unterabschnitt 5 VV RVG. Folgende Vergütungstatbestände sind zu unterscheiden:
I. Eröffnungsverfahren
Auffangwert für die Verfahrensgebühr bei Vertretung des Schuldners
Im Eröffnungsverfahren (§§ 11 ff. InsO) erhält der Anwalt für die Vertretung des Schuldners eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3313 VV RVG. Der Gegenstandswert berechnet sich nach dem Wert der Insolvenzmasse (§ 28 Abs. 1 S. 1 RVG) und beträgt mindestens 4.000 EUR (§ 28 Abs. 1 S. 2 RVG).
S wendet sich an einen Anwalt, damit dieser für ihn einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens stellt. S verfügt lediglich noch über 1.000 EUR Barvermögen. Der Anwalt erhält für seine Tätigkeit im Eröffnungsverfahren die Gebühren aus dem Auffangwert von 4.000 EUR.
Vertritt der Anwalt einen Gläubiger, erhält er eine 0,5-Verfahrensgebühr nach Nr. 3314 VV RVG, wobei sich der Gegenstandswert nach dem Nennwert der Gläubigerforderung richtet (§ 28 Abs. 2 RVG).
G hat erfolglos versucht, eine Forderung in Höhe von 30.000 EUR bei S einzutreiben. Er beauftragt nunmehr Anwalt R, gegen S einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu stellen. R erhält seine Gebühren auch bei einem geringeren Wert der Masse aus einem Gegenstandswert von 30.000 EUR.
Bei einem vorzeitigen Ende des Auftrags fallen die Gebühren nach Nr. 3313, 3314 VV RVG trotzdem in ungekürzter Höhe an, da das VV keinen Ermäßigungstatbestand vorsieht.
Anrechnung der Geschäftsgebühr für außergerichtliche Tätigkeit
Ist der Vertretung im Eröffnungsverfahren eine außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts vorausgegangen, so wird die Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auf die wegen desselben Gegenstandes entstehenden Gebühren der Nr. 3313 und 3314 VV RVG zur Hälfte, höchstens jedoch mit einem Gebührensatz von 0,75 angerechnet.
II. Insolvenzverfahren
Nennwert der Gläubigerforderung entscheidend
Für die Tätigkeit im Insolvenzverfahren entsteht – egal ob der Anwalt den Schuldner oder einen Gläubiger vertritt – eine 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3317 VV RVG. Bei Vertretung des Schuldners berechnen sich die Gebühren nach dem Wert der Insolvenzmasse. Der in § 28 Abs. 1 S. 2 RVG angeordnete Mindestwert von 4.000 EUR gilt nur für das Eröffnungsverfahren. Bei Vertretung des Gläubigers ist der Nennwert der Gläubigerforderung – soweit diese geltend gemacht wird – entscheidend. Dies gilt auch dann, wenn der Wert der Insolvenzmasse geringer ist, weil § 28 Abs. 2 RVG (anders als § 28 Abs. 1 RVG) nicht auf § 58 Abs. 2 GKG verweist. Dabei sind Nebenforderungen mitzurechnen (§ 28 Abs. 2 RVG). Entscheidend ist also der tatsächliche Betrag der Forderung einschließlich der Zinsen und der erstattungsfähigen Kosten bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
Beispiel
G hat eine Forderung gegen S über 30.000 EUR. Er hat vergeblich versucht, sie durch ein Inkassounternehmen geltend machen zu lassen. Dabei sind Kosten in Höhe von 250 EUR entstanden. Die Forderung ist seit dem 1.1.2008 mit 11 % p.a. zu verzinsen. G beauftragt nunmehr Anwalt R, der Insolvenzantrag stellt. Das Insolvenzverfahren wird am 31.3.2009 eröffnet. Die Insolvenzmasse hat einen Wert von 15.000 EUR. Für die Berechnung der Gebühren des R im Insolvenzverfahren sind die Hauptforderung (30.000 EUR), die Nebenforderung von 250 EUR sowie die Zinsen von 4.125 EUR zu addieren. Der Gegenstandswert beträgt also 34.375 EUR.
Keine Anrechnung der Gebühr aus dem Eröffnungsverfahren
Die Gebühr für das Eröffnungsverfahren wird nicht auf die Gebühr für das Insolvenzverfahren angerechnet, da es an einer Anrechnungsbestimmung fehlt. Wohl aber erfolgt eine Anrechnung der Geschäftsgebühr für eine außergerichtliche Tätigkeit auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3317 VV RVG, wenn sich die außergerichtliche Tätigkeit auf denselben Gegenstand bezog wie die Tätigkeit im Insolvenzverfahren.
III. Schuldenbereinigungsplan
Erhöhte Verfahrensgebühr
Wird der Anwalt zusätzlich zu seiner Tätigkeit im Eröffnungsverfahren auch im Zusammenhang mit der Erstellung eines Schuldenbereinigungsplans (§ 305 Abs. 1 Nr. 4 InsO) für den Schuldner tätig, so erhält er nach Nr. 3315 VV RVG eine erhöhte Verfahrensgebühr von 1,5. Auch bei Vertretung eines Gläubigers kann es eine Tätigkeit im Hinblick auf den Insolvenzplan geben – beispielsweise dann, wenn der Anwalt diesen im Auftrag des Gläubigers prüft oder zur Zustimmungsersetzung nach § 309 Abs. 2 InsO Stellung nimmt. Er erhält in diesem Fall die erhöhte 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3316 VV RVG.
IV. Insolvenzplan
Ausreichend ist irgendeine Tätigkeit im Verfahren
Im Verfahren über einen Insolvenzplan, der nach § 218 Abs. 1 InsO durch den Schuldner oder den Insolvenzverwalter vorgelegt werden kann, entsteht für den Anwalt eine besondere 1,0-Verfahrensgebühr nach Nr. 3318 VV RVG. Vertritt der Anwalt den Schuldner, der den Plan vorgelegt hat, so erhöht sich die Gebühr gemäß Nr. 3319 VV RVG auf 3,0. Dabei ist es nicht erforderlich, dass der Anwalt den Plan selbst erstellt oder an seiner Ausarbeitung mitgewirkt hat. Vielmehr reicht die Tätigkeit im Verfahren nach §§...