Grundsatzentscheidungen des BGH

Seit den beiden Grundsatzentscheidungen des BGH ist die Frage geklärt, in welcher Höhe die Kosten eines Anwalts, der seine Kanzlei außerhalb des Gerichtsbezirks unterhält, erstattungsfähig sind, wenn dessen Hinzuziehung nicht notwendig war. Erstattungsfähig sind dann die tatsächlichen Reiskosten des auswärtigen Anwalts bis zur Höhe der fiktiven Reisekosten eines Anwalts am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks.

 
Hinweis

Ist die Hinzuziehung eines auswärtigen Rechtsanwalts zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig i.S.v. § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO, führt dies lediglich dazu, dass die Mehrkosten, die gegenüber der Beauftragung von bezirksansässigen Prozessbevollmächtigten entstanden sind, nicht zu erstatten sind. Tatsächlich angefallene Reisekosten des auswärtigen Rechtsanwalts sind deshalb insoweit erstattungsfähig, als sie auch dann entstanden wären, wenn die obsiegende Partei einen Rechtsanwalt mit Niederlassung am weitest entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks beauftragt hätte.

BGH, Beschl. v. 9.5.2018 – I ZB 62/17 AGS 2018, 319 = NJW 2018, 2572 = MDR 2018, 1022 = zfs 2018, 524 = Rpfleger 2018, 568 = JurBüro 2018, 588 = NZFam 2018, 708 = NJW-Spezial 2018, 507 = RVGreport 2018, 341 = AnwBl 2018, 492 = FamRZ 2018, 1531

 
Hinweis

Eine Partei, die einen außerhalb des Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwalt beauftragt, ohne dass die in § 91 Abs. 2 S. 1 Hs. 2 ZPO vorausgesetzte Notwendigkeit bestanden hat, kann vom unterlegenen Prozessgegner – bis zur Grenze der tatsächlich angefallenen Kosten – diejenigen fiktiven Reisekosten erstattet verlangen, die angefallen wären, wenn sie einen am entferntesten Ort des Gerichtsbezirks ansässigen Rechtsanwalt beauftragt hätte.

BGH, Beschl. v. 4.12.2018 – VIII ZB 37/18 AGS 2019, 42 = AnwBl 2019, 109 = MDR 2019, 251 = NJW 2019, 681 = FamRZ 2019, 467 = JurBüro 2019, 90 = Rpfleger 2019, 225 = NJW-Spezial 2019, 59 = RVGreport 2019, 106 = MDR 2019, 402

Reisekosten im Bezirk sind immer erstattungsfähig

Hintergrund dieser Rechtsprechung ist die Regelung des § 91 Abs. 2 S. 1 ZPO, wonach die Reisekosten eines Anwalts im Gerichtsbezirk immer erstattungsfähig sind (z.B. LG Gera, Beschl. v. 5.6.2013 – 2 O 1640/11, AGS 2014, 251).

Immer noch haben Rechtspfleger Schwierigkeiten damit, die neue Rechtsprechung des BGH umzusetzen.

Keine Erstattung fiktiver Kosten

Zunächst einmal gilt es einem Missverständnis abzuhelfen: Erstattet werden niemals fiktive Reisekosten, sondern nur tatsächliche Reisekosten. Die ZPO kennt nicht die Erstattung fiktiver Kosten. Die ZPO kennt nur die Erstattung tatsächlich angefallener Kosten. Waren diese tatsächlich angefallenen Kosten als solche nicht notwendig, dann sind sie aber zumindest zu erstatten in Höhe der dadurch ersparten fiktiven Kosten, die notwendig gewesen wären.

Tatsächliche Reisekosten müssen angefallen sein

Zunächst einmal muss die Partei also nachweisen, dass tatsächlich überhaupt Reisekosten für ihren Anwalt angefallen sind.

Höchstmögliche Entfernung im Gerichtsbezirk ist maßgebend

Sind diese Reisekosten glaubhaft gemacht i.S.d. § 104 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 294 ZPO, dann erst stellt sich die Frage, inwieweit diese Kosten notwendig waren. Wird die volle Notwendigkeit verneint, muss man fiktiv berechnen, welche Kosten bei Einschaltung eines anderen Anwalts (hier eines Anwalts im Gerichtsbezirk) notwendig gewesen wären. Das wären nach der Rechtsprechung des BGH die Reisekosten eines hypothetischen Anwalts an dem vom Gericht am weitesten entfernt gelegenen Ort innerhalb des Gerichtsbezirks.

Ein weiteres Problem stellt sich, wenn der Rechtsstreit über mehrere Instanzen geführt worden ist, wie ein aktueller Fall des AG Leonberg zeigt:

 

Beispiel

In erster Instanz haben die Parteien vor dem AG Leonberg gestritten. Anschließend kam es zum Berufungsverfahren vor dem OLG Stuttgart. Die Beklagtenseite hatte einen Anwalt weit außerhalb des Gerichtsbezirks beauftragt. In erster Instanz hat der Beklagte die Erstattung der anwaltlichen Reisekosten in Höhe der höchstmöglichen Entfernung im AG-Bezirk (Ludwigsburg-Weil der Stadt, 17 km) zur Festsetzung angemeldet. Für die zweite Instanz hat er dagegen Reisekosten in Höhe der höchstmöglichen Entfernung innerhalb des LG Stuttgart (Metzigen – 50 km) zur Festsetzung angemeldet. Der Rechtspfleger beim AG Leonberg hat die Reisekosten in erster Instanz akzeptiert. Hinsichtlich der Reisekosten für das Berufungsverfahren war der Rechtspfleger jedoch der Auffassung, dass hier auf die Strecke Weil der Stadt-Stuttgart abzustellen sei.

Jede Instanz ist gesondert zu betrachten

Der Rechtspfleger hat die Entscheidung des BGH offenbar dahingehend missverstanden, dass sich die Reisekostenerstattung lediglich nach der höchstmöglichen Entfernung eines Anwalts im erstinstanzlichen Gerichtsbezirk richte. Das hat der BGH aber so nicht entschieden. Es verhält sich vielmehr so, dass in jeder Instanz nach der höchstmöglichen Entfernung für den jeweiligen Gerichtsbezirk zu fragen ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge