I. Der Fall
Arbeitgeber nimmt Kündigung zurück
Der Arbeitgeber kündigt das bestehende Arbeitsverhältnis. Daraufhin lässt der Arbeitnehmer durch seinen Anwalt Kündigungsschutzklage vor dem ArbG erheben. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erklärt der Arbeitgeber, dass er aus der streitgegenständlichen Kündigung keine Rechte mehr herleite. Das Arbeitsverhältnis werde ungekürzt fortgesetzt. Daraufhin erklärt der Arbeitnehmer, dass er das Fortsetzungsangebot des Arbeitgebers annehme. Im Hinblick darauf nimmt der Anwalt des Arbeitgebers die Kündigungsschutzklage zurück.
II. Die Vergütung
Verfahrens- und Terminsgebühr aus Quartalseinkommen
Dass eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV sowie eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV angefallen sind, ist unstreitig. Gegenstandswert ist das dreifache Bruttoeinkommen (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 42 Abs. 2 GKG).
Auch Einigungsgebühr fällt an
Problematisch ist, ob eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV angefallen ist. Voraussetzung der Einigungsgebühr, dass ein Streit bzw. eine Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis durch Nachgeben beseitigt wird. Nicht ausreichend ist, dass die Einigung sich in einem Anerkenntnis oder einer Klagerücknahme beschränkt.
Insoweit könnte hier von einem Anerkenntnis auszugehen sein, da der Arbeitgeber letztlich das Klagebegehren des Arbeitnehmers anerkannt hat, indem er erklärt hat. aus der Kündigung keine Rechte mehr herzuleiten. Er hat damit letztlich "anerkannt", dass die Kündigung unwirksam ist.
Verzicht auf Kostenübernahme reicht schon aus
Andererseits ist zu berücksichtigen, dass die Parteien das Verfahren gerade nicht durch ein Anerkenntnis beendet haben, was zu einem Anerkenntnisurteil und der entsprechenden Kostenlast des Klägers geführt hätte. Vielmehr haben die Parteien hier vereinbart, dass im Hinblick auf die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer seine Klage zurücknehme. Damit hat der Kläger auf eine Kostenerstattung verzichtet, die ihm im Falle eines Anerkenntnisurteils zugestanden hätte. Dass nach § 12a ArbGG eine Erstattung der Anwaltsgebühren ausgeschlossen gewesen wäre, ist insoweit unerheblich, da zumindest die Parteikosten erstattungsfähig gewesen wären. Bei einer Einigung reicht schon jedes auch noch so geringe Nachgeben aus.
Abschluss eines neuen Vertrags erforderlich
Hinzu kommt, dass es sich bei der Kündigung um eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung handelt, die nach Zugang nicht mehr einseitig zurückgenommen werden kann. Vielmehr bedarf es insoweit der Zustimmung des Kündigungsempfängers, etwa in Form einer Vereinbarung über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.
Verzicht auf Rechte nach dem KSchG
Schließlich begibt sich der Arbeitnehmer mit einer solchen Einigung auf Fortsetzung auch der für ihn im Einzelfall bestehenden Rechte aus §§ 9, 12 KSchG.
III. Die obergerichtliche Rechtsprechung
Einhellige Rspr.
Es entspricht daher ganz einhelliger obergerichtlicher Rechtsprechung, dass insoweit eine Einigungsgebühr ausgelöst wird.
Eine Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1003 VV entsteht auch dann, wenn sich die Parteien eines Kündigungsrechtsstreits auf die Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses einigen und der Arbeitnehmer daraufhin die Klage zurücknimmt.
LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 17.3.2010 – 8 Ta 40/10, AGkompakt 2010, 65 = AA 2010, 97 = RVGprof. 2010, 100
Einigungsgebühr nach "Rücknahme" einer Kündigung zu den Voraussetzungen, unter denen nach "Rücknahme" einer Kündigung durch den Arbeitgeber eine anwaltliche Einigungsgebühr entgeht.
LAG Berlin, Beschl. v. 8.6.2005 – 17 Ta (Kost) 6023/05, AGS 2005, 432 = MDR 2005, 1379 = JurBüro 2005, 644 = RVGreport 2005, 305 = RVGprof. 2005, 182 = JurBüro 2005, 639 = NJ 2006, 96
1. Die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV erfordert nicht den Abschluss eines Vergleichs nach § 779 BGB. Ihr Anwendungsbereich ist daher weiter zu ziehen als der der Vergleichsgebühr nach § 23 Abs. 1 BRAGO.
2. Die Einigungsgebühr ist daher entstanden, wenn die Parteien im Kündigungsschutzprozess einen Vergleich schließen, wonach Einigkeit über den ungekündigten Fortbestand des Arbeitsverhältnisses besteht.
LAG Niedersachsen, Beschl. v. 18.2.2005 – 10 Ta 129/05, AGS 2005, 281 = RVGprof. 2005, 91 = RVGreport 2005, 266 = ArbRB 2006, 109
Eine Einigungsgebühr i.S.d. Nr. 1000 VV entsteht auch dann, wenn die Parteien eines Kündigungsrechtsstreits sich auf eine Fortsetzung ihres Arbeitsverhältnisses einigen und der Arbeitnehmer daraufhin die Klage zurücknimmt.
LAG Düsseldorf, Beschl. v. 6.6.2006 – 16 Ta 307/06, AGS 2006, 324 = JurBüro 2006, 529 = MDR 2007, 59 = RVGreport 2006, 385
IV. Rechtsprechung des BAG zur BRAGO
So auch schon BAG zur Vergleichsgebühr nach der BRAGO
Dies entspricht i.Ü. auch der einhelligen Rechtsprechung des BAG, der noch zur BRAGO eine Vergleichsgebühr angenommen hat, die bekanntlich höhere Voraus...