Leitsatz
Für die außergerichtliche Vertretung in Unterhaltssachen bestehen gegen den Ansatz einer 1,8-Geschäftsgebühr – grundsätzlich – keine Bedenken.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.6.2009 – 24 U 111/08
1 I. Der Fall
Der Anwalt hatte für die außergerichtliche Vertretung seiner Mandantin in einer Unterhaltssache eine 1,8-Geschäftsgebühr abgerechnet und diese anschließend eingeklagt.
2 II. Die Entscheidung
OLG hält 1,8-Geschäftsgebühr für unbedenklich
Das OLG hatte im Hinblick auf Umfang und Schwierigkeit keine Bedenken.
3 III. Der Praxistipp
Regelgebühr beträgt 1,3
Nach Anm. zu Nr. 2300 VV beträgt die sog. "Schwellengebühr" 1,3. Diese Gebühr soll in durchschnittlichen Fällen der Regelfall sein. Voraussetzung dafür ist aber, dass die Sache weder umfangreich noch schwierig war. Einen solchen Regelfall, der lediglich die Schwellengebühr in Höhe von 1,3 nach Anm. zu Nr. 2300 VV rechtfertigt, nimmt die Rspr. z.B. bei der Verkehrsunfallregulierung an. Bei Unterhaltssachen handelt es sich dagegen nicht um durchschnittliche Fälle, die einer Verkehrsunfallregulierung oder einem Forderungseinzug vergleichbar sind.
Durchschnittlicher Umfang wird i.d.R. deutlich überschritten
Umfang: Zunächst einmal dürfte in Unterhaltssachen der durchschnittliche Umfang bereits deutlich überschritten sein. Es müssen die Einkommen mehrerer Beteiligter ermittelt und bewertet werden. Hiernach muss dann unter Berücksichtigung von Freibeträgen, Abzügen etc. ein Ausgleichsbetrag berechnet werden. Häufig müssen sogar für verschiedene Zeiträume verschiedene Berechnungen vorgenommen werden.
Unterhaltssachen sind schwierig
Schwierigkeit: Auch dürfte von einer Schwierigkeit i.S.d. Anm. zu Nr. 2300 VV auszugehen sein. Es gibt eine Vielzahl von Streitfragen zu Bewertungen, Berücksichtigung von Abzügen, Zumutbarkeit weiterer Erwerbstätigkeiten, Anrechnung fiktiver Einkünfte etc. zu beachten, die ungeachtet umfangreicher OLG-Richtlinien zum Teil höchst strittig sind.
Bedeutung ist i.d.R. erheblich
Bedeutung für den Auftraggeber: Die Bedeutung für den Mandanten ist auch erheblich, da es nicht um eine einmalige Zahlung geht, sondern um laufende wiederkehrende Leistungen, die insbesondere für den Unterhaltsgläubiger existenzielle Bedeutung haben, häufig aber auch für den Unterhaltsschuldner.
Einkommens- und Vermögensverhältnisse beachten
Einkommens- und Vermögensverhältnisse: Auch die Einkommens- und Vermögensverhältnisse können in Unterhaltssachen überdurchschnittlich sein. In manchen Regionen unserer Republik ist es ja schon überdurchschnittlich, dass überhaupt Unterhalt gezahlt werden kann.
Zu berücksichtigen ist, dass auch auf die Einkommensverhältnisse bei Beendigung des Mandats abzustellen ist. Hat der Anwalt auch für seinen Mandanten Unterhalt durchsetzen können, so ist dieser Unterhalt bei den Einkommensverhältnissen i.S.d. § 14 RVG zu berücksichtigen, weil danach auch die Anwaltsvergütung zu zahlen ist.
Besonderes Haftungsrisiko ist ebenfalls zu beachten
Besonderes Haftungsrisiko: Nicht vernachlässigt werden darf auch das besondere Haftungsrisiko (§ 14 Abs. 1 S. 2 RVG). Zwar ist bei Wertgebühren das besondere Haftungsrisiko grundsätzlich nicht zu beachten. In Unterhaltssachen liegt jedoch ein Ausnahmefall von diesem Grundsatz vor. Grundsätzlich steht das Haftungsrisiko in Relation zum Gegenstandswert. In Unterhaltssachen ist dies aber nicht so, jedenfalls nur eingeschränkt. Für zukünftige Unterhaltsforderungen beschränkt das Gesetz den Wert auf die zwölf Monate nach Einreichung des Antrags (§ 51 Abs. 1 FamGKG); das Haftungsrisiko geht aber über diese zwölf Monate hinaus. Hier ergibt sich also ein Ungleichgewicht zwischen Gegenstandswert und Haftungsrisiko, sodass das Haftungsrisiko auch mit bei der Abwägung im Rahmen des § 14 Abs. 1 RVG herangezogen werden kann.