Leitsatz
1. Nach dem eindeutigen Wortlaut des Art. 111 Abs. 4 FGG-ReformG sollen alle am 1.9.2009 vom Verbund abtrennten Versorgungsausgleichssachen als selbstständige Verfahren fortgeführt werden.
2. Dies hat zur Folge, dass das Versorgungsausgleichsverfahren vollständig aus dem Verbund herausgelöst wird und auch kosten- und gebührenrechtlich selbstständig zu beurteilen ist.
3. Die für das Verbundverfahren bewilligte Prozesskostenhilfe erstreckt sich nicht auf das abgetrennte Verfahren, sodass eine Rechtsgrundlage für eine Gebührenfestsetzung für das abgetrennte Verfahren aus der Landeskasse nicht besteht.
AG Vechta, Beschl. v. 3.9.2010 – 12 F 667/09
I. Der Fall
Die Ehe der Beteiligten war im Kalenderjahr 2003 geschieden worden; die Folgesache Versorgungsausgleich wurde abgetrennt und ausgesetzt. Der Ehefrau war Prozesskostenhilfe für die Scheidung und alle anhängigen Folgesachen bewilligt worden. Der Streitwert wurde auf 7.700,00 EUR festgesetzt, wobei 500,00 EUR auf den Versorgungsausgleich entfielen. Der Anwalt rechnete seine Gebühren nach dem Gesamtstreitwert auch für die Folgesache Versorgungsausgleich ab.
Nach Wiederaufnahme und Entscheidung der Versorgungsausgleichssache im Kalenderjahr 2009 wurde der Verfahrenswert nach § 50 Abs. 1 FamGKG auf 1.980,00 EUR festgesetzt. Unter Bezugnahme auf die 2003 bewilligte Prozesskostenhilfe beantragte der Anwalt die Festsetzung seiner Vergütung für das abgetrennte Verfahren. Gegen die antragsgemäße Festsetzung hat die Landeskasse Erinnerung eingelegt. Die hiergegen erhobene Erinnerung hatte aus anderen als den vorgebrachten Gründen Erfolg.
II. Die Entscheidung
Die Begründung des Bezirksrevisors, die Abtrennung habe nicht zu einer echten Verfahrenstrennung geführt, sondern nur zu einer versetzten Entscheidung im Verbundverfahren, ist unzutreffend. Gleiches gilt für die Annahme des Erinnerungsführers, Art. 111 FGG-ReformG habe keinen Einfluss auf die Vergütung nach altem Recht; der Anwalt habe seine Gebühren 2003 abschließend abgerechnet.
Allerdings kann der Anwalt aus anderen Gründen keine weitere Vergütung erhalten. Die Frage, ob Gebühren für das abgetrennte Versorgungsausgleichsverfahren mit der Landeskasse abgerechnet werden können, hängt von der Beantwortung der Frage ab, ob sich die im Kalenderjahr 2003 bewilligte Prozesskostenhilfe auf das abgetrennte Verfahren erstreckt. Hierzu werden unterschiedliche Auffassungen vertreten:
Erstreckung der Prozesskostenhilfe-Bewilligung auf abgetrenntes VA-Verfahren strittig
Folgende Gerichte gehen davon aus, dass die im Verbundverfahren bewilligte Prozesskostenhilfe weiter wirke, weil sich das neue Kostenrecht nicht auf das abgetrennte Verfahren auswirke:
Demgegenüber wird vertreten, dass auf das abgetrennte Versorgungsausgleichsverfahren (Art. 111 Abs. 4 FGG-ReformG) auch „neues Kostenrecht“ anzuwenden sei, mit der sich daraus ergebenden Folge, dass sich die für den Verbund bewilligte Prozesskostenhilfe nicht auf das abgetrennte Verfahren erstreckt:
Art. 111 Abs. 4 FGG-ReformG ist eindeutig: Die abgetrennte Folgesache wird vollständig aus dem Verbund herausgelöst und ist deshalb auch kostenmäßig selbstständig zu behandeln. Aus diesem Grunde erstreckt sich die im Kalenderjahr 2003 für das Verbundverfahren bewilligte PKH auch nicht auf das neue Verfahren. Deshalb besteht auch keine Rechtsgrundlage für die Zahlung einer weiteren Vergütung aus der Landeskasse.
III. Der Praxistipp
Schon nach bisherigem Recht führte die „Abtrennung“ des Versorgungsausgleichs nicht zur Auflösung des Verbundes. Das abgetrennte Versorgungsausgleichsverfahren blieb Folgesache, so dass die Gebühren nur einheitlich abgerechnet werden konnten.
Dieser Grundsatz gilt auch nach neuem Recht fort: Wird der Versorgungsausgleich abgetrennt, gilt § 137 Abs. 5 S. 1 FamFG. Das abgetrennte Verfahren bleibt Folgesache und kann nur im Verbund abgerechnet werden (§ 16 Nr. 4 RVG).
Nur unter den in Art. 111 Abs. 4 FGG-ReformG genannten Voraussetzungen führt eine Abtrennung der Folgesache Versorgungsausgleich zur Herauslösung aus dem Verbund. Das hat zur Folge, dass das abgetrennte Verfahren über den Versorgungsausgleich als selbstständige Familiensache fortgeführt wird (Art. 111 Abs. 4 S. 2 FGG-ReformG).
Das abgetrennte Verfahren ist dann nach neuem materiellem Verfahrens- und Kostenrecht zu behandeln und kann gesondert abgerechnet werden, allerdings unter Berücksichtigung der bereits abgerechneten Gebühren.
Im Scheidungsverfahren bewilligte Prozesskostenhilfe/Verfahrenskostenhilfe erstreckt sich bei einer Herauslösung aus dem Verbund nicht auch auf das abgetrennte Verfahren. Deshalb ist nach Abtrennung unbedingt ein neuer Antrag auf Verfah...