Beide Entscheidungen sind zutreffend. Der Anwalt erhält in sozialgerichtlichen Verfahren erster Instanz eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV. Auch im Eilverfahren entsteht die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV.
Soweit der Anwalt bereits im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren in derselben Sache vorbefasst war, ermäßigt sich allerdings der Rahmen der Verfahrensgebühr nach Nr. 3103 VV.
Gegenstände müssen identisch sein
Voraussetzung ist, dass es sich um ein nachfolgendes Verfahren handelt und die Gegenstände des Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahrens mit dem Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens identisch sind.
Untätigkeitsklage hat anderen Gegenstand als Widerspruchsverfahren
Daran fehlt es bei einer Untätigkeitsklage. Eine Untätigkeitsklage kennt kein vorbereitendes Verfahren oder Widerspruchsverfahren. Es handelt sich um ein reines Bescheidungsverfahren, das kein Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren vorsieht, insbesondere keinen vorangegangenen Bescheid, der ja gerade erst herbeigeführt werden soll. Daher kommt eine Ermäßigung des Rahmens der Verfahrensgebühr nicht in Betracht (LSG Nordrhein Westfalen, Beschl. v. 30.11.2008 – L 20 B 59/08 SO; AGS 2008, 550; SG Berlin ASR 2005, 40; SG Frankfurt ASR 2010, 82; SG Gießen ASR 2009, 246; a.A. Hessisches LSG, Beschl. v. 12.5.2010 – L 2 SF 342/09 E; SG Cottbus, Beschl. v. 28.10.2009 – S 27 SF 87/09 E).
Beispiel 1
Der Anwalt wird erstmals mit der Erhebung des Widerspruchs beauftragt und, nachdem dieser nicht rechtzeitig beschieden worden ist, mit der Erhebung einer Untätigkeitsklage. Daraufhin wird der beantragte Bescheid erlassen und die Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt.
Für das Widerspruchsverfahren gilt Nr. 2400 VV, nicht Nr. 2401 VV, weil der Anwalt im Verwaltungsverfahren nicht tätig war. Im gerichtlichen Verfahren bleibt es bei der Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV. Allerdings ist wegen des geringeren Umfangs und der geringeren Bedeutung einer Untätigkeitsklage von einem geringeren Gebührenbetrag auszugehen. Hier soll von der halben Mittelgebühr ausgegangen werden.
Strittig ist, ob auch eine Terminsgebühr anfällt, und zwar in der Form des angenommenen Anerkenntnisses nach Anm. Nr. 3 zu Nr. 3106 VV (so Hessisches LSG AGS 2010, 604; SG Aachen, Beschl. v. 16.6.2008 – S 4 R 89/07, SG Würzburg, Beschl. v. 5.1.2010 – S 2 SF 50/09 E; SG Cottbus, Beschl. v. 28.10.2009 – S 27 SF 87/09; SG Berlin, Beschl. v. 1.4.2010 – S 165 SF 2479/09 E, SG Lüneburg, Beschl. v. 28.9.2009 – S 12 SF 112/09 E; SG Hannover, Beschl. v. 19.2.2009 – S 34 SF 249/08, SG Hildesheim, Beschl. v. 23.1.2009 – S 12 SF 162/08; SG Aurich, Beschl. v. 25.8.2008 – S 21 SF 25/07 AS; a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 9.3.2011 – L 7 B 255/09 AS). Hier soll von einer Terminsgebühr ausgegangen werden, allerdings ebenfalls nur in Höhe der Hälfte der Mittelgebühr.
I. Widerspruchsverfahren
1. |
Geschäftsgebühr, Nr. 2400 VV |
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280,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
II. Untätigkeitsklage
1. |
Verfahrensgebühr, Nr. 3102 VV |
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125,00 EUR |
2. |
Terminsgebühr, Nr. 3106 VV |
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100,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
545,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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103,55 EUR |
Gesamt |
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|
648,55 EUR |
Auch Eilverfahren hat anderen Gegenstand als Widerspruchsverfahren
Ebenso verhält es sich bei einem einstweiligen Anordnungsverfahren nach § 86b Abs. 3 SGG. Hier kommt als Vorverfahren lediglich ein Verfahren nach § 86a Abs. 2 SGB, also ein auf die Eilmaßnahme gerichtetes Verwaltungsverfahren in Betracht. Ist ein solches Verfahren zuvor geführt worden, dann erhält der Anwalt im Anordnungsverfahren nur die ermäßigte Gebühr nach Nr. 3103 VV. Im Übrigen steht ihm der volle Gebührenrahmen der Nr. 3102 VV offen, und zwar auch dann, wenn er zuvor im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren tätig war. Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren betreffen die Hauptsache, nicht aber die Eilsache und können daher im gerichtlichen Eilverfahren nicht zu einer Ermäßigung führen (SG Berlin NJW-Spezial 2009, 461; Beschl. v. 22.2.2010 – S 165 SF 949/09 E; Beschl. v. 20.1.2010 – S 165 SF 657/09 E; SG Schleswig AGS 2010, 238 = ASR 2010, 55; SG Lüneburg, Beschl. v. 30.3.2009 – S 12 SF 177/08; SG Oldenburg AGS 2006, 506; SG Gelsenkirchen ASR 2010, 86; SG Frankfurt AGS 2006, 551 = ASR 2007, 47; LSG Nordrhein-Westfalen, 9.8.2007 – L 20 B 91/07 AS; LSG Thüringen, Beschl. v. 6.3.2008 – L 6 B 198/07 SF; SG Dresden-Roßlau AGS 2010, 176; SG Hannover ASR 2010, 136; a.A. SG Stade AGS 2009, 543; SG Duisburg, Beschl. v. 21.4.2008 – S 10 AS 125/06 ER; Bayerisches LSG, Beschl. v. 18.1.2007 – L 15 B 224/06 AS KO; SG Bremen AGS 2010, 22).
Beispiel 2
Der Anwalt wird nach Erlass des Bescheids mit der Einlegung des Widerspruchs beauftragt. Er beantragt gleichzeitig nach § 86a Abs. 2 SGG vor der Behörde die Aussetzung der sofortigen Vollziehung. Der Antrag wird von der Behörde abgelehnt. Daraufhin wird vor dem SG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung beantragt. Über den Antrag wird ohne mündliche Verh...