Erstattungsfähig sind nur die Kosten eines Anwalts
Nach § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO sind in einem gerichtlichen Verfahren nur die Kosten eines Anwalts zu erstatten. Wechselt eine Partei während eines laufenden gerichtlichen Verfahrens den Anwalt, kann zwar jeder Anwalt vom Mandanten seine Vergütung verlangen. Im Obsiegensfall erhält der Mandant jedoch nicht mehr erstattet, als die Vergütung, die angefallen wäre, wenn nur ein einziger Anwalt beauftragt worden wäre.
Bei Anwaltswechsel kann es zu unterschiedlichem Recht kommen
Bei einem Anwaltswechsel kann es dabei auch vorkommen, dass der vorherige Anwalt noch nach altem Gebührenrecht abrechnet, der neue Anwalt dagegen bereits nach neuem Gebührenrecht. Auch dann bleibt es dabei, dass nur die Kosten eines Anwalts zu erstatten sind. Es fragt sich dann allerdings, wessen Kosten zu erstatten sind.
Beispiel
Im Dezember 2020 war vor dem Landgericht gegen den Mandanten eine Klage auf Zahlung von 10.000,00 EUR erhoben worden. Dieser hatte daraufhin Anwalt A, beauftragt, die Verteidigungsbereitschaft anzuzeigen und Klageabweisung zu beantragen. Im Januar 2021 wird das Mandat mit Rechtsanwalt A gekündigt. Der Mandant beauftragt nunmehr Rechtsanwalt B.
Für den Rechtsanwalt A gilt noch altes Gebührenrecht (§ 60 RVG). Er erhält also folgende Vergütung:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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725,40 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
745,50 EUR |
3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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141,63 EUR |
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Gesamt |
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887,03 EUR |
Für den Rechtsanwalt B gilt dagegen neues Gebührenrecht. Er rechnet wie folgt ab:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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798,20 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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736,80 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.555,00 EUR |
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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295,45 EUR |
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Gesamt |
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1.850,45 EUR |
Nach h.M. Kostenerstattung nur nach alten Beträgen
Nach der Rechtsprechung sollen jetzt nur die Kosten zu erstatten sein, wie sie angefallen wären, wenn Anwalt A von vornherein beauftragt worden wäre.
Nach der Änderung des Kostenrechts sind gem. § 60 RVG die Gebühren insgesamt nach dem im Zeitpunkt der Beauftragung des ersten Verteidigers geltenden Recht zu bestimmen.
LG Detmold, Beschl. v. 20.10.2014 – 4 Qs 134/14
In Übergangsfällen wie dem vorliegenden ist die Höhe der zu erstattenden Kosten grundsätzlich auf die Höhe derjenigen Kosten beschränkt, die der erste Verteidiger nach der BRAGO hätte verlangen können.
LG Duisburg, Beschl. v. 21.7.2005 – 32 Qs 40/05, AGS 2005, 446 m. Anm. Schons und N. Schneider
Die in einem Strafverfahren nach einem Anwaltswechsel infolge einer Gesetzesänderung entstehenden höheren Gebühren sind nach § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, § 91 Abs. 2 ZPO als notwendige Auslagen gegenüber der Staatskasse nur dann erstattungsfähig, wenn in der Person des Anwalts ein Wechsel eintreten musste, dessen Ursache nicht in der Sphäre des Angeklagten liegt.
AG Kleve, Beschl. v. 29.1.2015 – 12 Cs 965/12, AGS 2015, 306 m. abl. Anm. N. Schneider = RVGreport 2015, 149 = NJW-Spezial 2015, 413
Danach wären also die Gebühren und Auslagen des Anwalt B nur in der Höhe zu erstatten, wie sie nach altem Recht angefallen wären, wenn er bereits im Dezember 2020 beauftragt worden wäre. Dies ergäbe dann folgende Abrechnung:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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725,40 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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669,60 EUR |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.415,00 EUR |
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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268,85 EUR |
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Gesamt |
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1.683,85 EUR |
Auffassung der h.M. ist bedenklich
Diese Auffassung ist meines Erachtens unzutreffend. § 91 Abs. 2 S. 2 ZPO spricht nur davon, dass die Kosten eines Anwalts zu erstatten sind, nicht aber davon, dass die Kosten nur in Höhe der Kosten des ersten Anwalts zu erstatten sind.
Im zugrundeliegenden Fall hätte der Mandant die Verteidigungsbereitschaft im Dezember 2020 selbst anzeigen und erst im Januar 2021 einen Anwalt beauftragen können. In diesem Falle wäre eindeutig gewesen, dass die Gebühren nach neuem Recht zu erstatten gewesen wären. Warum etwas anderes gelten soll, wenn der Mandant vorher einen anderen Anwalt beauftragt, ist nicht einzusehen.
AGKompakt 11/2020, S. 118 - 119