Kommt es in einem gerichtlichen Verfahren, in dem nach Rahmengebühren abzurechnen ist, zu einer Kostenerstattung, so ist umstritten, ob die Festsetzung der Gebührenhöhe Bindungswirkung für die Abrechnung mit dem Mandanten bzw. dessen Rechtsschutzversicherer hat.
Solche Konstellationen kommen insbesondere in Bußgeldsachen nach einem Freispruch vor, wenn die Landeskasse nur unterdurchschnittliche Gebühren für erstattungsfähig hält und festsetzt, während mit dem Mandanten bzw. dem Rechtsschutzversicherer bereits die Mittelgebühren abgerechnet worden sind. Gleiches gilt in Strafsachen oder auch in sozialgerichtlichen Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nicht nach dem Gegenstandswert richten.
Zum Teil wird eine Bindungswirkung angenommen
Zum Teil wird vertreten, dass die Kostenfestsetzung auch Bindungswirkung im Verhältnis zum Mandanten bzw. zum Rechtsschutzversicherer entfalte.
Gemäß § 5 Nr. 1 ARB 2000 schuldet der Versicherer nur die Erstattung der gesetzlichen Anwaltsgebühren. Damit entfaltet der Kostenfestsetzungsbeschluss für das Verhältnis des Versicherungsnehmers bzw. des Versicherers gegenüber dem Anwalt eine Bindungswirkung.
LG Aachen, Urt. v. 28.10.2008 – 7 S 85/08, AGS 2009, 359 = RVGreport 2010, 79
Diese Auffassung ist jedoch unzutreffend.
Vergütungsverhältnis und Erstattungsverhältnis sind zu trennen
Das Vergütungs- und das Erstattungsverhältnis sind strikt voneinander zu trennen.
Im Vergütungsverhältnis kommt es darauf an, womit der Mandant den Anwalt beauftragt hat. Insoweit sind auch nicht notwendige Tätigkeiten zu vergüten, wenn der Mandant diese gewünscht hat.
Im Erstattungsverhältnis kommt es dagegen nur auf die notwendigen Kosten an. Hat der Mandant den Anwalt mit nicht notwendigen Dingen beauftragt, dann muss er sie zwar vergüten, erhält die entsprechenden Tätigkeiten aber nicht erstattet. Daher lehnt die zutreffende Rechtsprechung eine Bindungswirkung ab.
Kann ein Verteidiger von seinem Auftraggeber, der einen Freispruch erzielt hat, innerhalb des gesetzlichen Gebührenrahmens der §§ 12, 83 BRAGO eine höhere Vergütung verlangen, als im Verfahren nach § 464b StPO gegenüber der erstattungspflichtigen Staatskasse festgesetzt worden ist, so muss der Rechtsschutzversicherer des Auftraggebers den Unterschiedsbetrag übernehmen.
BGH, Urt. v. 14.7.1972 – VII ZR 41/71, VersR 1972, 1141 = MDR 1973, 308 = BB 1973, 404
Ein sozialgerichtliches Kostenfestsetzungsverfahren entfaltet für einen Gebührenrechtsstreit keine Bindungswirkung.
AG Dresden, Beschl. v. 12.4.2012 – 116 C 7655/11, AGS 2013, 208
Die gerichtliche Festsetzung des Kostenerstattungsanspruchs gegen die Staatskasse hat keine Bindungswirkung für die dem freigesprochenen Angeklagten durch seinen Rechtsschutzversicherer zu erstattenden Kosten.
AG Wiesbaden, Urt. v. 22.9.2008 – 93 C 6107/07, AGS 2008, 626 = zfs 2009, 33 = RVGprof. 2009, 69 = RVGreport 2009, 239
AGKompakt 1/2018, S. 4