I. Die Schwellengebühren
Sowohl in Verfahren, in denen nach dem Gegenstandswert abgerechnet wird (§ 2 Abs. 1 RVG), als auch in Verfahren, in denen sich die Gebühren nach Betragsrahmen richten (sozialrechtliche Verfahren nach § 3 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 RVG), erhält der Anwalt für die außergerichtliche Vertretung eine Geschäftsgebühr nach Teil 3 Abschnitt 2 VV.
Begrenzung bei fehlendem Umfang und Schwierigkeit
Ist die Tätigkeit des Anwalts weder umfangreich noch schwierig, wird die Höhe der Geschäftsgebühr auf die sog. "Schwellengebühr" begrenzt. Sie beträgt bei Wertgebühren 1,3 (Anm. zu Nr. 2300 VV) und bei Rahmengebühren 300,00 EUR (Anm. zu Nr. 2302 VV). Die übrigen Geschäftsgebühren der Nrn. 2303, 2503 VV kennen solche Begrenzungen dagegen nicht.
II. Erhöhung nach Nr. 1008 VV
Auch Schwellengebühr ist zu erhöhen
Mit der durch das 2. KostRMoG neu eingeführten Anm. Abs. 4 zu Nr. 1008 VV ist jetzt klargestellt, dass der Gebührensatz bzw. -betrag der Schwellengebühr auch bei mehreren Auftraggebern zu erhöhen ist. Im Bereich der Wertgebühren war dies an sich nicht strittig; in der Sozialgerichtsbarkeit wurde jedoch zum Teil die Auffassung vertreten, die Schwellengebühr bilde eine absolute - nicht erhöhungsfähige - Grenze (LSG Baden-Württemberg AGS 2009, 2009, 73 = RVGreport 2010, 145).
III. Voraussetzung der Erhöhung
Bei Wertgebühren ist derselbe Gegenstand erforderlich
Zu beachten ist, dass bei den Wertgebühren die Erhöhung nur greift, wenn der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit derselbe ist. Bei verschiedenen Gegenständen bleibt es bei der einfachen Schwellengebühr, die sich dann allerdings aus den zusammengerechneten Werten der einzelnen Gegenstände berechnet (§ 22 Abs. 1 RVG; § 23 Abs. 1 S. 3, 1 RVG i.V.m. § 39 Abs. 1 GKG, § 33 Abs. 1 FamGKG, § 35 Abs. 1 GNotKG).
Bei Rahmengebühren greift Erhöhung immer
Bei den Rahmengebühren ist dagegen eine gemeinschaftliche Beteiligung nicht erforderlich. Hier greift die Erhöhung bei Vertretung mehrerer Auftraggeber immer, unabhängig davon, ob derselbe Gegenstand zugrunde liegt oder ob verschiedene Gegenstände zugrunde liegen.
IV. Begrenzung der Erhöhung
Maximal 2,0 oder das Doppelte des Mindest- und Höchstbetrags
Die Erhöhung ist auch hier begrenzt, und zwar
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bei Wertgebühren auf 2,0; |
• |
bei Rahmengebühren auf das Doppelte des Mindest- und Höchstbetrags, also 200 %. |
Zu beachten ist, dass die Begrenzung nur die Erhöhung betrifft, nicht den Gesamtbetrag. Das bedeutet, dass die Schwellengebühr maximal betragen kann:
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als Wertgebühr (1,3 + 2,0 =) 3,3; |
• |
als Rahmengebühr (300,00 EUR + 200 % =) 900,00 EUR. |
V. Übersicht: Schwellengebühr bei mehreren Auftraggebern
Auftraggeber |
Anm. zu Nr. 2300 VV |
Anm. zu Nr. 2302 VV |
1 |
1,3 |
300,00 EUR |
2 |
1,6 |
390,00 EUR |
3 |
1,9 |
480,00 EUR |
4 |
2,2 |
570,00 EUR |
5 |
2,5 |
660,00 EUR |
6 |
2,8 |
750,00 EUR |
7 |
3,1 |
840,00 EUR |
8 und mehr |
3,3 |
900,00 EUR |
VI. Anrechnung der Schwellengebühr
Auf die Anrechnung hat die Erhöhung der Schwellengebühr bei mehreren Auftraggebern keine Auswirkungen.
Erhöhung ist mit anzurechnen
Einerseits ist zu beachten, dass die Erhöhung Teil der Geschäftsgebühr ist und daher bis zur Anrechnungsgrenze mit in die Anrechnung einfließt.
Anrechnungsgrenze bleibt unverändert
Andererseits bleiben die Anrechnungsgrenzen unverändert und werden nicht erhöht.
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LG Düsseldorf AGS 2007, 381 = MDR 2007, 1164 = JurBüro 2007, 480 = Rpfleger 2007, 629 = RVGreport 2007, 298 = VRR 2007, 399 = RVG prof. 182; |
• |
AG Stuttgart AGS 2007, 385 = MDR 2007, 1107 = ZMR 2007, 737 = JurBüro 2007, 522 = NJW-RR 2007, 1725; |
• |
LG Ulm AGS 2008, 163 = AnwBl. 2008, 73 = NJW-Spezial 2008, 155; |
• |
KG AGS 2009, 4 = NJ 2008, 461 = Rpfleger 2008, 669 = KGR 2008, 968 = JurBüro 2008, 585 = RVGreport 2008, 391 = NJW-Spezial 2009, 92 = VRR 2008, 439. |
Beispiel
Der Anwalt ist von zwei Gesamtgläubigern wegen der außergerichtlichen Beitreibung einer Forderung i.H.v 6.000,00 EUR beauftragt worden. Die Sache ist weder umfangreich noch schwierig. Anschließend wird das gerichtliche Klageverfahren durchgeführt.
Der Anwalt erhält außergerichtlich eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV, die sich um 0,3 auf 1,6 erhöht (siehe Anm. Abs. 4 zu Nr. 1008 VV).
Im gerichtlichen Verfahren entsteht die Verfahrensgebühr der Nr. 3100 VV, die sich ebenfalls um 0,3 auf 1,6 erhöht. Darauf ist die vorangegangene Geschäftsgebühr gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV hälftig, hier jedoch mit maximal 0,75 anzurechnen.
I. Außergerichtliche Vertretung
1. |
1,6-Geschäftsgebühr, Nrn. 2300, 1008 VV (Wert: 6.000,00 EUR) |
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566,40 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
586,40 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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111,42 EUR |
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Gesamt |
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697,82 EUR |
II. Gerichtliches Verfahren
1. |
1,6-Verfahrensgebühr, Nrn. 3100, 1008 VV (Wert: 6.000,00 EUR) |
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566,40 EUR |
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 S. 1 VV anzurechnen, 0,75 aus 6.000,00 EUR |
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-265,50 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
320,90 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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60,97 EUR |
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Gesamt |
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381,87 EUR |
Beispiel
Der Anwalt ist von einer aus vier Personen bestehenden Bedarfgemeinschaft im Verwaltungsverfahren oder im Widerspruchsverfahren beauftragt worden. Die Sache ist weder umfangreich noch schwierig. Hiernach kommt es zum gerichtlichen Verfahren vor...