1. Abgetrennter und ausgesetzter Versorgungsausgleich
Ist in einem vor dem 1.9.2009 eingeleiteten Scheidungsverfahren die Folgesache Versorgungsausgleich abgetrennt und nach dem 31.8.2009 wieder aufgenommen worden, stellt das wieder aufgenommene Verfahren auch dann keine neue Angelegenheit nach § 15 Abs. 5 S. 2 RVG dar, wenn zwei Kalenderjahre seit dem Erlass des Scheidungsurteils und der Aussetzung der Entscheidung über den Versorgungsausgleich vergangen sind. Die Abtrennung und Aussetzung führen nicht zur Erledigung der Folgesache Vorsorgungsausgleich (KG AGS 2010, 599 = FamRZ 2011, 667 = RVGreport 2011, 19 = OLG Oldenburg AGS 2011, 125 = FamRZ 2011, 665 = RVGreport 2011, 107; AG Hainichen AGS 2010, 536; OLG Schleswig AGS 2013, 123 = FamRZ 2013, 1602; a.A. OLG Brandenburg AGS 2009, 432).
2. Aussetzung
Wird ein Verfahren ausgesetzt, liegt kein Fall des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG vor, weil der Anwalt während der Aussetzung weiterhin beauftragt bleibt und weiterhin tätig werden muss. Er muss regelmäßig prüfen, ob die Voraussetzungen der Aussetzung noch gegeben sind (FG Baden Württemberg AGS 2010, 606 = EFG 2011, 373 = StE 2010, 729).
3. Beweisverfahren
Wird ein Rechtsanwalt erst mehr als zwei Kalenderjahre nach Erledigung des selbstständigen Beweisverfahrens im nachfolgenden Hauptsacheverfahren tätig, greift § 15 Abs. 5 S. 2 RVG. Eine Anrechung der im Beweisverfahren entstandenen Verfahrensgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 5 VV kommt dann nicht mehr in Betracht (OLG Zweibrücken AGS 2000, 64 u. 145 = JurBüro 1999, 414).
4. Einstellung, nicht nur vorläufige
Wird ein Strafverfahren nicht nur vorläufig eingestellt, ist die Sache damit erledigt, sodass die Frist des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG in Gang gesetzt wird. Dies betrifft insbesondere Einstellungen nach §§ 153, 153a (nach Erfüllung der Auflage), 154, 170 Abs. 2 StPO.
5. Einstellung, vorläufige
Wird ein Strafverfahren nur vorläufig eingestellt, stellt dies keine Erledigung des anwaltlichen Auftrags i.S.d. § 15 Abs. 5 S. 2 RVG dar, sodass bei Fortsetzung des Verfahrens die Gebühren und Auslagen nicht erneut anfallen (LG München I AGS 2013, 406), so z.B. bei einer Einstellung nach § 153a StPO (gegen Auflage) oder auch bei einer Einstellung gem. § 205 StPO.
6. Ruhen des Verfahrens
Wird das Ruhen des Verfahrens angeordnet, liegt kein Fall des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG vor, da der Anwalt während des Ruhens weiterhin beauftragt bleibt und weiterhin tätig werden muss. Er muss regelmäßig prüfen, ob die Voraussetzungen des Ruhens noch gegeben sind (BGH AGS 2006, 323 = RVGreport 2006, 219; OLG Nürnberg AGS 2004, 280; a.A. OLG Stuttgart AGS 2003, 19; OLG Köln AGS 2011, 321; FG Baden-Württemberg AGS 2010, 606).
7. Unterbrechung
Wird ein Verfahren unterbrochen, liegt kein Fall des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG vor, da der Anwalt während der Unterbrechung weiterhin beauftragt bleibt und weiterhin tätig werden muss. Er muss regelmäßig prüfen, ob die Voraussetzungen der Unterbrechung noch gegeben sind.
8. Vergleich
Wird ein Prozessvergleich mehr als zwei Kalenderjahre nach seinem Abschluss angefochten und das Verfahren daraufhin fortgesetzt, liegt ein Fall des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG – zumindest in analoger Anwendung – vor (BGH AGS 2010, 477 = AnwBl 2010, 804 = RVGreport 2011, 17; OLG Frankfurt/M., Beschl. v. 18.2.2008 – 3 WF 281/07).
Maßgebend für den Begriff der "Erledigung" bei Abschluss eines Vergleichs ist der Zeitpunkt des Vergleichschlusses, ohne dass es darauf ankommt, ob aufgrund des Vergleichs noch Abwicklungstätigkeiten vorzunehmen sind (OLG Karlsruhe JurBüro 1998, 26 = AnwBl 1998, 217).
9. Widerspruch
Wird gegen einen Mahnbescheid Widerspruch eingelegt, endet das Mahnverfahren, sodass damit die Frist des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG in Gang gesetzt wird. Wird das streitige Verfahren erst nach Ablauf von zwei Kalenderjahren eingeleitet, kommt eine Anrechnung nach Anm. zu Nr. 3305, Anm. zu Nr. 3307 VV nicht in Betracht (OLG München AGS 2001, 151 = AnwBl 2000, 698; N. Schneider, AGS 2003, 240).
10. Zurückverweisung
Wird eine Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht aufgehoben und das Verfahren nach Ablauf von zwei Kalenderjahren an die Vorinstanz zurückverwiesen, kommt eine Anrechnung nach Vorbem. 3 Abs. 6 VV nicht in Betracht (OLG München AGS 2006, 369 = AnwBl 2006, 588; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 18.2.2010 – I-24 W 2/10; AGS 2009, 212 = RVGreport 2009, 181; OLG Köln MDR 2009, 1365; a.A. FG Baden-Württemberg AGS 2004, 102; FG Köln EFG 2012, 2237 = StE 2012, 618).
AGKompakt 12/2013, S. 135 - 136