Leitsatz
Vertritt der Anwalt im Mahnverfahren zwei Antragsgegner, die als Gesamtschuldner in Anspruch genommen werden, und vertritt er diese anschließend auch im streitigen Verfahren, so ist im streitigen Verfahren nicht nur die einfache 0,5-Verfahrensgebühr der Nr. 3307 VV anzurechnen, sondern die erhöhte 0,8-Gebühr.
AG Zeitz, Beschl. v. 29.1.2018 – 4 C 216/17
1 Der Fall
Der Antragsteller hatte gegen die beiden Antragsgegner als Gesamtschuldner eine Forderung (Wert: bis 500,00 EUR) per Mahnbescheid geltend gemacht. Die beiden Antragsgegner haben gemeinsam einen Anwalt beauftragt, gegen den Mahnbescheid Widerspruch einzulegen, was dieser auch veranlasste. Nach Widerspruch wurde das streitige Verfahren eingeleitet. Danach wurde die Klage zurückgenommen.
Die Antragsgegner beantragten daraufhin die Festsetzung ihrer Kosten wie folgt:
I. Mahnverfahren
1. |
0,5-Verfahrensgebühr, Nr. 3307 VV |
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22,50 EUR |
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(Wert: bis 500,00 EUR) |
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2. |
0,3-Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV |
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13,50 EUR |
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(Wert: bis 500,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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7,20 EUR |
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(20 % aus 36,00 EUR) |
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Zwischensumme |
43,20 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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8,21 EUR |
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Gesamt |
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51,41 EUR |
II. Streitiges Verfahren
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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58,50 EUR |
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(Wert: bis 500,00 EUR) |
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2. |
gem. Anm. zu Nr. 3307 VV anzurechnen, |
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– 22,50 EUR |
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0,5-Gebühr aus 500,00 EUR |
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3. |
0,3-Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV |
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13,50 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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14,40 EUR |
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(20 % aus 72,00 EUR) |
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Zwischensumme |
63,90 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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12,14 EUR |
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Gesamt |
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76,04 EUR |
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Gesamt I. + II. |
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127,45 EUR |
Der Rechtspfleger hat dem Antrag nur teilweise stattgeben.
2 Die Entscheidung
Auch die Gebührenerhöhung ist anzurechnen
Die Anrechnung der Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens gem. Anm. zu Nr. 3307 VV auf die Verfahrensgebühr des nachfolgenden gerichtlichen Verfahrens hat einschließlich der Erhöhungsgebühr für den zweiten Auftraggeber zu erfolgen, da der Rechtsanwalt sowohl im Mahnverfahren als auch im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren dieselben Personen vertreten hat (vgl. Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., Nr. 1008 VV Rn 285). Damit hat die Anrechnung in Höhe einer 0,8-Verfahrensgebühr (36,00 EUR) statt nur in Höhe einer 0,5-Gebühr (22,50 EUR) zu erfolgen. Das Entgelt für die Post- und Telekommunikationspauschale sowie die Umsatzsteuer sind entsprechend zu reduzieren, so dass sich für das gerichtliche Verfahren folgender Erstattungsbetrag ergibt.
II. Streitiges Verfahren
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
58,50 EUR |
|
(Wert: bis 500,00 EUR) |
|
|
2. |
0,3-Erhöhungsgebühr, Nr. 1008 VV |
|
13,50 EUR |
3. |
gem. Anm. zu Nr. 3307 VV anzurechnen, |
|
– 36,00 EUR |
|
0,5-Gebühr aus 500,00 EUR |
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4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
7,20 EUR |
|
(20 % aus 36,00 EUR) |
|
|
|
Zwischensumme |
43,20 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer. Nr. 7008 VV |
|
8,21 EUR |
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Gesamt |
|
51,41 EUR |
Der gesamte Erstattungsbetrag für das Mahnverfahren und das gerichtliche Verfahren beträgt damit 102,82 EUR.
3 Praxistipp
Die Entscheidung ist nur zum Teil richtig.
I. Anrechnung der Gebührenerhöhung
Zutreffend hat der Rechtspfleger die Verfahrensgebühr des Mahnverfahrens im Ergebnis nicht nur zu 0,5 angerechnet, sondern zu 0,8.
Allerdings ist nicht die "Erhöhungsgebühr" anzurechnen. Eine dahingehende Anrechnungsvorschrift gibt es nämlich nicht. Sie gibt es deshalb nicht, weil es keine "Erhöhungsgebühr" gibt.
Keine Erhöhungsgebühr, sondern erhöhte Gebühren
Vertritt der Anwalt mehrere Auftraggeber wegen desselben Gegenstands, entsteht keine gesonderte Erhöhungsgebühr; vielmehr erhöhen sich Verfahrens- und Geschäftsgebühren um 0,3 je weiteren Auftraggeber. Die Vorschrift der Nr. 1008 VV schafft keinen eigenen Gebührentatbestand, sondern führt lediglich dazu, dass eine Geschäfts- oder Verfahrensgebühr um einen bestimmten Satz zu erhöhen ist. Es entsteht dann eine einheitliche erhöhte Gebühr. Siehe dazu insbesondere KG, Beschl. v. 29.7.2008 – 1 W 73/08, AGS 2009, 4 = NJ 2008, 461 = Rpfleger 2008, 669 = KGR 2008, 968 = JurBüro 2008, 585 = RVGreport 2008, 391 = NJW-Spezial 2009, 92; LG Düsseldorf AGS 2007, 381 = MDR 2007, 1164 = JurBüro 2007, 480 = Rpfleger 2007, 629 = RVGreport 2007, 298:
"Die Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV stellt keine eigenständige Gebühr dar (Senat JurBüro 2007, 543 zu Nr. 2503 VV). Zwar wird Teil 1 des RVG (Nrn. 1000 bis 1009 VV) mit der Vorbem. 1 eingeleitet, dass die Gebühren dieses Teils neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren entstehen. Diese allgemeine Bestimmung wird aber durch die speziellere Regelung der Nr. 1008 VV verdrängt, wonach sich die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr "erhöht", wenn der Anwalt in derselben Angelegenheit mehrere Auftraggeber hat. Diese Formulierung lässt erkennen, dass auch die erhöhte Geschäfts- oder Verfahrensgebühr eine einheitliche Gebühr darstellt (Bischof, a.a.O., Nr. 1008 VV, Rn 93; Enders, JurBüro 2005, 449, 450 Ziff. 3). Es kommt lediglich zur Erhöhung der jeweiligen Gebü...