Leitsatz
Eine pauschale Berufung auf eine Schlechterfüllung des Anwaltsvertrages genügt nicht den Mindestanforderungen an die Erhebung außergebührenrechtlicher Einwendungen oder Einreden nach § 11 Abs. 5 S. 1 RVG.
OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 20.12.2017 – 4 E 891/17
1 Der Fall
Nach Abschluss des Verfahrens hatte der Anwalt gem. § 11 RVG die Festsetzung seiner Vergütung für die gerichtliche Vertretung beantragt. Die vormalige Mandantin hatte beantragt, den Antrag zurückzuweisen, und hat geltend gemacht, ihr stünden im Zusammenhang sowohl mit dem der Vergütungsfestsetzung zugrunde liegenden verwaltungsgerichtlichen Verfahren als auch mit einem vor dem ArbG geführten Rechtsstreit Schadensersatzansprüche gegen den Anwalt wegen Schlechterfüllung des Anwaltsvertrags bzw. nicht ordnungsgemäßer Vertretung zu, mit denen sie aufrechnen werde, bzw. die sie den Honoraransprüchen des Anwalts entgegen setze. Das VG hat die Vergütung antragsgemäß festgesetzt. Die hiergegen erhobene sofortige Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Die Entscheidung
Substantiierung und Schlüssigkeit nicht erforderlich
Nach § 11 Abs. 5 S. 1 RVG ist die Festsetzung abzulehnen, soweit der Antragsgegner Einwendungen oder Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht ihren Grund haben. Dafür genügt grundsätzlich die bloße Berufung des Antragsgegners auf einen solchen Einwand. Über die Begründetheit des Einwandes ist nicht im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu entscheiden. Deshalb kann grundsätzlich weder eine nähere Substantiierung des Einwandes verlangt werden, noch hat eine materiell-rechtliche Schlüssigkeitsprüfung zu erfolgen.
Offensichtlich unbegründete Einwendungen reichen nicht aus
Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn der Einwand offensichtlich unbegründet ist, d.h., wenn seine Haltlosigkeit ohne nähere Sachprüfung auf der Hand liegt, substanzlos ist oder erkennbar rechtsmissbräuchlich eingesetzt wird. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die bloße Berufung auf einen außergebührenrechtlichen Einwand reicht insbesondere dann nicht, wenn sie sich in einer abstrakten Rechtsbehauptung ohne jeden konkreten tatsächlichen Anhaltspunkt erschöpft. Zu verlangen ist vielmehr, dass vom Antragsgegner vorgetragene, außergebührenrechtliche Gesichtspunkte an bestimmte Gegebenheiten anknüpfen, so dass erkennbar wird, aus welchem konkreten Lebenssachverhalt der Anspruchsgegner seine Einwendung oder Einrede herleitet. Diesen Mindestanforderungen an die Erhebung einer außergebührenrechtlichen Einwendung oder Einrede genügt das Vorbringen der Antragsgegnerin nicht.
3 Praxistipp
Nach § 11 Abs. 5 RVG ist ein Vergütungsfestsetzungsantrag zurückzuweisen, wenn der Auftraggeber Einwendungen erhebt, die ihren Grund nicht im Vergütungsrecht haben (sog. nicht gebührenrechtliche Einwendungen). Zu beachten ist allerdings, dass nicht jede außergerichtliche Einwendung oder Einrede die Festsetzung hindert. Die Rspr. lässt dann eine Festsetzung zu, wenn die außergerichtlichen Einwände offensichtlich unbegründet, halt- oder substanzlos, aus der Luft gegriffen oder vollkommen unsubstantiiert sind (siehe zu Einzelheiten AnwK-RVG/N. Schneider, § 11 Rn 186 ff.). Eine Schlüssigkeitsprüfung der erhobenen Einwendungen oder Einreden findet allerdings nicht statt. Dies ist nicht Aufgabe der Festsetzungsbeamten.
Einwendungen müssen spezifiziert werden
Wer sich also gegen einen Festsetzungsantrag zur Wehr setzen will, der muss seine Einwendungen näher spezifizieren, so dass das Gericht erkennen kann, dass diese jedenfalls nicht haltlos und völlig aus der Luft gegriffen sind.
Antrag nicht vorschnell zurücknehmen
Umgekehrt sollte der Anwalt nicht vorschnell seinen Antrag zurücknehmen, wenn Einwendungen erhoben werden, sondern sollte prüfen, ob diese den von der Rspr. geforderten Mindestanforderungen genügen.
AGKompakt 2/2018, S. 21