Leitsatz

Die Reisekosten eines nicht im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts sind nicht zu erstatten, wenn hierfür keine besondere Notwendigkeit bestand.

AG Zeitz, Beschl. v. 29.1.2018 – 4 C 232/17

1 Der Fall

Die am Ort des AG wohnende Partei hatte für einen dort geführten Rechtsstreit einen Anwalt beauftragt, der seinen Kanzleisitz außerhalb des Gerichtsbezirks hatte. Nach Abschluss des Verfahrens hat die Partei die ihr entstandenen Kosten zur Festsetzung angemeldet, darunter auch die Reisekosten ihres Anwalts. Das Gericht hat die Reisekosten in vollem Umfang abgesetzt.

2 Die Entscheidung

Erstattung der Reisekosten eines auswärtigen Anwalts nur bei Notwendigkeit

Die Reisekosten des auswärtigen Rechtsanwaltes sind nicht erstattungsfähig. Der Beklagte hat seinen Wohnsitz am Gerichtsort. Bei der Prüfung der Erstattungsfähigkeit i.S.v. § 91 ZPO ist im Regelfall davon auszugehen, dass eine vernünftig denkende, kostenbewusste Partei, die im Anwaltsprozess am eigenen Wohnsitz klagen möchte oder am eigenen Wohnsitz verklagt wird, einen beim Prozessgericht zugelassenen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragt hätte. Dies empfiehlt sich nicht nur im Hinblick auf die geringeren Kosten, sondern auch auf die einfachere Möglichkeit der persönlichen Unterrichtung und Beratung. Selbst wenn die Partei mit dem auswärtigen Rechtsanwalt in weiteren Fällen zusammenarbeiten würde und daher auch im vorliegenden Fall diesen Rechtsanwalt als Anwalt ihres Vertrauens beauftragt hätte, mag dies für die Partei die zusätzlichen Reisekosten rechtfertigen. Eine Erstattungsfähigkeit ließe sich daraus jedoch nicht herleiten, denn eine objektiv kostenbewusst denkende Partei würde in einem Rechtsstreit am eigenen Sitz/Wohnsitz einen Rechtsanwalt am Gerichtsort beauftragen, um keine zusätzlichen Reisekosten des Rechtsanwalts tragen zu müssen.

Ausnahme liegt nicht vor

Eine anerkannte Ausnahme für die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwaltes stellt es dar, wenn die Vertretung der Partei eine besondere Spezialisierung erfordert, die ein ortsansässiger Rechtsanwalt nicht vorweisen kann. Diese Ausnahme ist im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben, da Spezialkenntnisse nicht erforderlich waren.

Daher sind die Reisekosten des beauftragten Rechtsanwalts nicht erstattungsfähig.

3 Praxistipp

Reisekosten eines Anwalts aus dem Gerichtsbezirk sind immer zu erstatten

Die Kosten eines im Gerichtsbezirk niedergelassenen Anwalts sind stets zu erstatten. Eine Notwendigkeitsprüfung findet insoweit nicht statt. Dies ist einhellige Rechtsprechung:

  LG Krefeld, Beschl. v. 30.11.2010 – 5 O 384/09, AGS 2011, 577 = RVGreport 2011, 235 = JurBüro 211, 307;
  AG Siegburg, Beschl. v. 13.11.2012 – 103 C 64/12, AGS 2012, 594 m. Anm. Thiel = NJW-Spezial 2013, 93;
  AG Limburg, Beschl. v. 20.12.2012 – 4 C 406/12 (11), AGS 2013, 98 = NJW-Spezial 2013, 124;
  LG Gera, Beschl. v. 5.6.2013 – 2 O 1640/11, AGS 2014, 251;
  LG Krefeld, Beschl. v. 26.3.2014 – 2 O 294/13, AGS 2014, 424 = JurBüro 2014, 377 = NJW-Spezial 2014, 540;
  AG Gießen, Beschl. v. 22.9.2014 – 47 C 329/12, AGS 2014, 544 = NJW-Spezial 2015, 93;
  LG Bonn, Beschl. v. 11.12.2015 – 30 O 3/15, AGS 2016, 31 = AnwBl 2016, 361 = NZFam 2016, 187 = NJW-Spezial 2016, 187.

Notwendigkeitsprüfung nur für Anwälte außerhalb des Gerichtsbezirks

Eine Notwendigkeitsprüfung ist lediglich für solche Anwälte durchzuführen, die ihren Kanzleisitz außerhalb des Gerichtsbezirks haben (§ 91 Abs. 2 S. 1, 2. Hs. RVG). Hier ist – wie das Gericht zu Recht ausführt – eine besondere Notwendigkeit erforderlich, die hier nicht gegeben war.

Umstritten ist allerdings, ob in diesen Fällen fehlender Notwendigkeit die Reisekosten gänzlich entfallen oder ob die Reisekosten zumindest bis zur höchstmöglichen Entfernung innerhalb des Gerichtsbezirks zu erstatten sind.

H.M. gewährt Erstattung der Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung im Gerichtsbezirk

Die ganz überwiegende Rechtsprechung bejaht die Erstattungsfähigkeit der Reisekosten bis zur höchstmöglichen Entfernung im Gerichtsbezirk:

  AG Kiel, Beschl. v. 14.2.2013 – 59 F 12/11, AGS 2014, 8 = NJW-RR 2013, 892;
  AG Marbach am Neckar, Beschl. v. 6.11.2013 – 3 C 32/12, AGS 2014, 8 = NJW-RR 2013, 892 = JurBüro 2013, 591;
  LG Düsseldorf, Beschl. v. 18.12.2014 – 6 O 455/11, AGS 2015, 7 = NJW 2015, 498 m. Anm. Schons = AnwBl 2015, 351 = MDR 2015, 427 = Rpfleger 2015, 369 = JurBüro 2015, 255 = ErbR 2015, 135 = RVGprof. 2015, 76;
  OLG Frankfurt, Beschl. v. 23. 3. 2015 – 25 W 17/15, AGS 2017, 101;
  OLG Schleswig, Beschl. v. 24.7.2015 – 9 W 26/15, AGS 2015, 487 = NJW 2015, 3311 m. Anm. N. Schneider = RVGreport 2015, 385;
  OLG Köln, Beschl. v. 25.11.2015 – 17 W 247/15, AGS 2016, 55 = AnwBl 2016, 361 = RVGreport 2016, 68 = NJW-Spezial 2016, 157 = MDR 2016, 184 = NZFam 2016, 186;
  AG Waldbröl, Beschl. v. 25.4.2017 – 15 C 114/14, AGS 2017, 258 = NJW-Spezial 2017, 445;
  AG Frankfurt, Beschl. v. 22.8.2017 – 30 C 2295/16 (20), AGS 2017, 492;
  LG Heilbronn, Beschl. v. 21.10.2016 – 8 Qs 31/16, AGS 2017, 102 = NJW-Spezial 2017, 60 = RVGprof. 2017, 57 = RVGrepor...

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