Einführung
§ 15a Abs. 2 RVG gilt auch im Rahmen eines Rechtsschutzversicherungsvertrags
Nach § 15a Abs. 2 RVG kann sich ein Dritter auf die Anrechnung einer vorangegangenen Gebühr nur unter den dort genannten Voraussetzungen berufen. Diese Vorschrift gilt auch im Rahmen eines Rechtsschutzversicherungsvertrages. Auch der Rechtsschutzversicherer ist Dritter in diesem Sinne.
Bedeutung hat diese Vorschrift, wenn der Versicherungsschutz erst im gerichtlichen Verfahren einsetzt, die außergerichtliche Vertretung also nicht versichert ist und der Mandant die Geschäftsgebühr selbst tragen muss. Zum anderen hat diese Vorschrift im Rahmen der Kostenerstattung Bedeutung.
I. Versicherungsschutz setzt erst im gerichtlichen Verfahren ein
In einigen Fällen setzt der Versicherungsschutz erst mit Beginn des gerichtlichen Verfahrens ein. Eine vorgerichtliche Tätigkeit ist dann nicht versichert. Der Versicherungsnehmer muss vielmehr die außergerichtliche Tätigkeit seines Anwalts selbst bezahlen. Solche Fälle kommen insbesondere im Verwaltungsrechtsschutz vor sowie beim älteren Firmenvertragsrechtsschutz.
Bei ausschließlicher Versicherung gerichtlicher Tätigkeiten muss VN Geschäftsgebühr selbst zahlen
Das wiederum hat zur Folge, dass der Versicherungsnehmer die Geschäftsgebühr selbst zahlen muss und der Rechtsschutzversicherer nur die Verfahrensgebühr trägt. Dabei ergibt sich wiederum die Besonderheit, das sich in Höhe des Anrechnungsbetrages, also in Höhe der hälftigen Geschäftsgebühr (Vorbem. 3 Abs. 4 VV) die Vergütungsansprüche für außergerichtliche und gerichtliche Tätigkeit überschneiden.
Versicherungsnehmer hat Wahlrecht
Insoweit gilt zunächst einmal § 15a Abs. 1 RVG. Der Anwalt ist frei, ob er die Geschäftsgebühr in voller Höhe abrechnet und dann die hälftige Anrechnung bei der Verfahrensgebühr berücksichtigt oder ob er die Verfahrensgebühr in voller Höhe berechnet und die Anrechnung dann bei der Geschäftsgebühr selbst vornimmt.
Wird die Geschäftsgebühr in voller Höhe berechnet und dann auf die Geschäftsgebühr hälftig angerechnet, führt dies zu einer Entlastung des Rechtsschutzversicherers. Günstiger ist es daher, dem Mandanten nur den anrechnungsfreien Betrag in Rechnung zu stellen und dem Rechtsschutzversicherer die volle Verfahrensgebühr.
Beispiel
Der Versicherungsnehmer hatte wegen einer Forderung i.H.v. 8.000,00 EUR seinen Anwalt zunächst außergerichtlich und sodann im gerichtlichen Verfahren beauftragt.
Rechnet der Anwalt jetzt die Geschäftsgebühr voll ab und berücksichtigt er die Anrechnung bei der Verfahrensgebühr, ergeben sich ausgehend von einer Mittelgebühr folgende Zahlungspflichten:
I. Versicherungsnehmer
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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618,00 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
638,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
121,22 EUR |
|
Gesamt |
|
759,22 EUR |
II. Rechtsschutzversicherer
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
535,60 EUR |
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, |
|
|
|
0,75 aus 8.000,00 EUR |
|
-309,00 EUR |
3. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
494,40 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
741,00 EUR |
|
5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
140,79 EUR |
|
Gesamt |
|
881,79 EUR |
Stellt der Anwalt dagegen die Verfahrensgebühr in voller Höhe in Rechnung und berücksichtigt er die Anrechnung bei der Geschäftsgebühr selbst, ergibt sich folgende Verteilung:
I. Rechtsschutzversicherer
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
535,60 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
|
494,40 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
1.050,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
199,50 EUR |
|
Gesamt |
|
1.249,50 EUR |
II. Versicherungsnehmer
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
|
618,00 EUR |
2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, |
|
|
|
0,75 aus 8.000,00 EUR |
|
-309,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
329,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
62,51 EUR |
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Gesamt |
|
391,51 EUR |
Rechtsschutzversicherer ist für Verfahrensgebühr voll eintrittspflichtig und kann sich nicht auf Anrechnung berufen
Günstiger ist es also für den Mandanten, wenn der Anwalt dem Rechtsschutzversicherer die volle Verfahrensgebühr in Rechnung stellt und die Anrechnung gegenüber dem Versicherungsnehmer berücksichtigt. Der Rechtsschutzversicherer ist in diesem Fall in voller Höhe der Verfahrensgebühr eintrittspflichtig. Er kann sich nach § 15a Abs. 2 RVG nicht auf die Anrechnung berufen. Auch er ist Dritter i.S.d. § 15a Abs. 2 RVG und kann sich nur unter den dort genannten Voraussetzungen – die hier nicht gegeben sind – auf eine Anrechnung der Geschäftsgebühr berufen (AnwK-RVG/N. Schneider, 6. Aufl. 2012, § 15a Rn 38 f.).
II. Kostenerstattung
Die Vorschrift des § 15a RVG hat auch im Rahmen der Kostenerstattung bei rechtsschutzversicherten Mandaten Bedeutung, nämlich dann, wenn der Versicherungsnehmer auch auf Zahlung der beim Gegner vorgerichtlich entstandenen Geschäftsgebühr in Anspruch genommen und verurteilt wird.
Versicherung deckt nicht materiell-rechtliche Schadensersatzansprüche
Soweit er auf Zahlung der Geschäftsgebühr im Wege des materiell-rechtli...