Einführung
Gesonderte Regelung für Reisekosten bei mehreren Auftraggebern
Führt der Anwalt eine Geschäftsreise anlässlich mehrerer Angelegenheiten durch, greift hinsichtlich dieser Auslagen nicht die Regelung des § 7 Abs. 2 RVG, wonach jeder Auftraggeber für die Kosten haftet, die entstanden wären, wenn das Mandat ausschließlich für ihn geführt worden wäre. Vielmehr enthält das RVG in Vorbem. 7 Abs. 3 S. 1 VV eine besondere Regelung, wie die Kosten mehrerer Geschäftsreisen aufzuteilen sind.
Privater Termin anlässlich Geschäftsreise ist unerheblich
Voraussetzung sind allerdings mehrere Geschäftsreisen. Nutzt der Anwalt eine Geschäftsreise, um am Gerichtsort oder unterwegs einen privaten Termin zu erledigen, so führt dies nicht zu einer Aufteilung der anfallenden Kosten auf die Geschäfts- und die Privatreise. Vielmehr bleibt es dabei, dass der Anwalt die gesamten Kosten der Geschäftsreise gegenüber dem Mandanten abrechnen und dieser die Kosten vom Gegner ersetzt verlangen kann (LAG Berlin-Brandenburg AGS 2009, 177).
I. Die gesetzliche Regelung
Reisekosten sind anteilig zu verteilen
Dient eine Geschäftsreise mehreren abrechenbaren Geschäften, so sind die Reisekosten anteilig zu verteilen (Vorb. § 7 Abs. 3 S. 1 VV). Es gilt nicht § 7 Abs. 2 RVG, wonach der Anwalt die Reisekosten von jedem Auftraggeber in der Höhe verlangen könnte, in der sie entstanden wären, wenn er nur für diesen Aufraggeber gereist wäre. Die Aufteilung geschieht vielmehr dergestalt, dass die fiktiven Einzelreisekosten jeder Angelegenheit ermittelt und in diesem Verhältnis dann die Gesamtreisekosten auf die jeweiligen Geschäfte verteilt werden:
1. |
Zunächst sind die tatsächlichen (abrechenbaren) Gesamtreisekosten zu berechnen. |
2. |
Sodann sind die fiktiven Einzelreisekosten zu ermitteln, die angefallen wären, wenn der Anwalt die Reisen für jeden Mandanten einzeln durchgeführt hätte. |
3. |
Hiernach ist die Summe der Kosten der fiktiven einzelnen Reisen zu berechnen. |
4. |
Alsdann werden die fiktiven Einzelreisekosten des Mandanten mit der Summe der tatsächlich abrechenbaren Reisekosten multipliziert und durch den Gesamtbetrag aller fiktiven Reisekosten dividiert. Es gilt also folgende Formel: |
Fiktive Einzelreisekosten des Mandanten x tatsächlich abrechenbare Gesamtreisekosten |
Summe aller fiktiven Einzelreisekosten |
II. Mehrere Termine am selben Ort
Kopfteilige Verteilung bei mehreren Terminen am selben Ort
Nimmt der Anwalt für mehrere Auftraggeber Termine an demselben Ort wahr, dann läuft dies faktisch auf eine kopfteilige Verteilung hinaus.
Beispiel
Der Anwalt hat seine Kanzlei in Köln und nimmt am selben Tag vor dem LG Bonn für Mandant A und B jeweils einen Gerichtstermin wahr. Das LG Bonn liegt 30 km von der Kanzlei entfernt. Es ergibt sich folgende Berechnung:
(1) Tatsächlich abrechenbare Gesamtreisekosten |
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Reisekosten, Nr. 7003 VV (2 x 30 km x 0,30 EUR/km) |
18,00 EUR |
Abwesenheitspauschale bis vier Stunden, Nr. 7005 Nr. 1 VV |
20,00 EUR |
Gesamt |
38,00 EUR |
(2) Fiktive Einzelreisekosten |
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Mandant A; wie (1) |
38,00 EUR |
Mandant B; wie (1) |
38,00 EUR |
(3) Summe der fiktiven Einzelreisekosten |
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38,00 EUR + 38,00 EUR = |
76,00 EUR |
(4) Anteilige Kosten |
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Mandant A hat zu zahlen |
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38,00 EUR x 38,00 EUR/76,00 EUR = |
19,00 EUR |
Mandant B hat zu zahlen |
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38,00 EUR x 38,00 EUR/76,00 EUR = |
19,00 EUR |
Gesamt |
38,00 EUR |
III. Mehrere Termine an verschiedenen Orten
Unterschiedliche Verteilung bei verschiedenen Orten
Werden im Rahmen einer Geschäftsreise mehrere Orte angefahren (sog. Rundreise), ergeben sich unterschiedliche Kostenanteile der jeweiligen Auftraggeber.
Beispiel
Der Anwalt hat seine Kanzlei in Köln. Für Mandant A fährt er zum LG Bonn und anschließend für Mandant B weiter zum LG Koblenz. Das LG Bonn liegt 30 km von der Kanzlei entfernt, das LG Koblenz 120 km, die Entfernung zwischen LG Bonn und LG Koblenz beträgt 100 km. Es ergibt sich folgende Berechnung:
(1) Tatsächlich abrechenbare Gesamtreisekosten |
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Reisekosten, Nr. 7003 VV ([30 + 100 + 120 km] x 0,30 EUR/km) |
75,00 EUR |
Abwesenheitspauschale vier bis acht Stunden, Nr. 7005 Nr. 2 VV |
35,00 EUR |
Gesamt |
110,00 EUR |
(2) Fiktive Einzelreisekosten |
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Mandant A |
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Fahrtkosten, Nr. 7003 VV (2 x 30 km x 0,30 EUR/km) |
18,00 EUR |
Abwesenheitspauschale bis vier Stunden, Nr. 7005 Nr. 1 VV |
20,00 EUR |
Gesamt |
38,00 EUR |
Mandant B |
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Fahrtkosten, Nr. 7003 VV (2 x 120 km x 0,30 EUR/km) |
72,00 EUR |
Abwesenheitspauschale vier bis acht Stunden, Nr. 7005 Nr. 2 VV |
35,00 EUR |
Gesamt |
107,00 EUR |
(3) Summe der fiktiven Einzelreisekosten |
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38,00 EUR + 107,00 EUR = |
145,00 EUR |
(4) Anteilige Kosten |
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Mandant A hat zu zahlen |
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38,00 EUR x 110,00 EUR/145,00 EUR = |
28,83 EUR |
Mandant B hat zu zahlen |
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107,00 EUR x 110,00 EUR/145,00 EUR = |
81,17 EUR |
Gesamt |
10,00 EUR |
IV. Fazit
Aufteilung ist auch für Kostenerstattung maßgebend
Die vorstehend dargestellten Berechnungen gelten nicht nur für die Abrechnung mit dem Auftraggeber, sondern auch für die Kostenerstattung, da ein erstattungspflichtiger Dritter nur die Auslagen erstatten muss, die der Erstattungsberechtigte seinem Auftraggeber schuldet. Es lohnt sich daher gegebenenfalls zu überprüfen, ob der auswärtige Anwalt der Gegenseite a...