Leitsatz
Erhebt der Antragsgegner im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG nicht gebührenrechtliche Einwendungen, so ist die Festsetzung abzulehnen. Lediglich substanzlose oder völlig aus der Luft gegriffene Einwendungen sind unbeachtlich. Der Einwand muss zumindest im Ansatz erkennen lassen, dass der zur Festsetzung angemeldete Vergütungsanspruch aus materiell-rechtlichen Gründen unberechtigt sein könnte.
LAG Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 30.12.2014 – 1 Ta 266/14
1 I. Der Fall
Die Antragsteller hatten den Antragsgegner in einem arbeitsrechtlichen Verfahren über zwei Instanzen vertreten und nach Abschluss des Verfahrens die Festsetzung ihrer Vergütung beantragt, nachdem der Antragsgegner nicht gezahlt hatte. Der Antragsgegner wandte ein, ihm stünden Regressforderungen gegen die Antragsteller zu, da diese im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LAG über den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil nicht aufgetreten seien und es damit zum Erlass eines zweiten Versäumnisurteils gekommen sei, was den Prozessverlust zur Folge gehabt habe.
Das ArbG hatte den Einwand nicht berücksichtigt und antragsgemäß festgesetzt. Die hiergegen erhobene Beschwerde hatte Erfolg.
2 II. Die Entscheidung
Festsetzung ist abzulehnen bei nicht gebührenrechtlichen Einwänden
Der Antrag auf Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung gegen die eigene Partei nach § 11 RVG ist abzulehnen, wenn die Partei materiell-rechtliche Einwendungen bzw. Einreden erhebt, die nicht im Gebührenrecht angesiedelt sind. Das vereinfachte und formalisierte Vergütungsfestsetzungsverfahren soll von der Prüfung komplexer materiell-rechtlicher Fragen freigehalten werden.
Keine Prüfung der Berechtigung der Einwendung
Der Rechtspfleger hat im Vergütungsfestsetzungsverfahren nicht zu prüfen, ob die Einwendungen letztlich berechtigt sind.
Substantiierung ist nicht erforderlich
Aus diesem Grund ist auch keine nähere Substantiierung der Einwendungen erforderlich. Andererseits führt nicht bereits jede pauschal erhobene Einwendung außerhalb des Gebührenrechts zwingend zu einer Ablehnung des Antrags. Der Einwand muss vielmehr bestimmten Mindestanforderungen genügen.
Lediglich völlig unsubstantiierte Einwendungen sind unbeachtlich
Völlig unsubstantiierte, nicht einzelfallbezogene Einwendungen stehen einer Festsetzung nicht entgegen, wenn sie auch bei äußerst zurückhaltender summarischer Prüfung unter keinem vernünftigen Gesichtspunkt Bestand haben können. Erforderlich ist, dass der außergerichtliche Einwand zumindest im Ansatz erkennen lässt, dass der Vergütungsanspruch des Antragstellers aus materiell-rechtlichen Gründen unbegründet sein könnte. Erforderlich hierzu ist die Darlegung von Umständen, die auf die Besonderheiten des konkreten Falls bezogen sind, aus denen der materiell-rechtliche Einwand zumindest im Kern ersichtlich wird.
Einwand der Schlechterfüllung ist beachtlich
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der Antragsgegner in ausreichender Weise vorgetragen. Er hat nämlich Schlechterfüllung eingewandt. Er hat vorgetragen, der Rechtsstreit sei deshalb verloren gegangen, weil die Antragsteller im zweiten Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LAG nicht aufgetreten seien und aus diesem Grunde die Sache durch zweites Versäumnisurteil rechtskräftig abgewiesen worden sei. Damit ist ein Sachverhalt dargelegt, der zumindest Regressansprüche als möglich erscheinen lässt.
3 III. Der Praxistipp
Die Entscheidung ist zutreffend. Das vereinfachte Festsetzungsverfahren nach § 11 RVG scheidet aus, wenn materiell-rechtliche Einwände zu prüfen sind. Dazu reicht es aus, dass der Antragsgegner solche im Ansatz vorträgt.
Aus der Luft gegriffene Einwendungen oder Einwendungen ohne jegliche Substanz sind unbeachtlich
Lediglich solche Einwendungen, die völlig aus der Luft gegriffen sind oder jeglicher Substanz entbehren, können im Vergütungsfestsetzungsverfahren nach § 11 RVG als unbeachtlich zurückgewiesen werden (OLG Frankfurt/M. RVGreport 2006, 303; FG Schleswig-Holstein AGS 2007, 248 = EFG 2007, 384 = StE 2007, 92 = RVGreport 2007, 261; OLG Koblenz AGS 1997, 43 = MDR 1996, 862; HessFG EFG 1988, 388; OLG Frankfurt JurBüro 1984, 869 m. Anm. Mümmler; OLG Schleswig OLGR 2002, 466; OLG Sachsen-Anhalt JurBüro 2011, 136).
Einzelfälle zu unbeachtlichen Einwendungen
Solche unbeachtlichen Einwendungen hat die Rspr. z.B. in folgenden Fällen bejaht:
|
Der Antragsgegner behauptet, der Anwalt habe die Erstattungsforderung vom Gegner nicht mit dem notwendigen Nachdruck beigetrieben (OLG Koblenz AGS 1995, 128 m. Anm. von Eicken). |
|
Der Antragsgegner behauptet, der Anwalt habe es unterlassen, gegen eine Kostenentscheidung Rechtsmittel einzulegen, die Kostenentscheidung aber gar nicht anfechtbar war (FG Schleswig-Holstein AGS 2007, 248 = EFG 2007, 384 = StE 2007, 92 = RVGreport 2007, 261). |
|
Die Einwendungen betreffen ersichtlich ein anderes Verfahren (OLG Naumburg FamRZ 2006, 1473 = RVGreport 2006, 302 = OLGR 2006, 736). |
|
Der Antragsgegner behauptet, der Prozess sei vollmachtlos geführt worden und eine etwaige Vergütungsforderung verjährt, obwohl dies offenkundig gem. § 89... |