I. Ausgangslage
Entscheidung über Hilfsaufrechnung führt zu einer Erhöhung des Streitwerts oder des Verfahrenswerts
Bestreitet der Beklagte die Klageforderung und verteidigt er sich hilfsweise mit einer Aufrechnung, deren Berechtigung der Kläger wiederum bestreitet, sind also Haupt- und Gegenforderung bestritten, dann erhöht sich gem § 45 Abs. 3 GKG der Streitwert, soweit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Hilfsaufrechnungsforderung ergeht (siehe § 322 Abs. 2 ZPO). Soweit die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Forderung nicht höher ist als die Klageforderung, wird sie voll hinzugerechnet. Soweit die Hilfsaufrechnungsforderung die Klageforderung übersteigt, wird sie nur bis zur Höhe der Klageforderung addiert, da nur insoweit mit Rechtskraft über die Hilfsaufrechnung entschieden wird.
Werterhöhung gilt auch für die Anwaltsgebühren
Die Werterhöhung gilt nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG auch für den Gegenstandswert der Anwaltsgebühren.
Beispiel 1
In einem Rechtsstreit über 10.000,00 EUR erklärt der Beklagte die Hilfsaufrechnung mit einer Gegenforderung in Höhe von 10.000,00 EUR, die der Kläger wiederum bestreitet. Das Gericht geht von der Existenz beider Forderungen aus und weist die Klage daher ab.
Der Streitwert beträgt jetzt 20.000,00 EUR. Zu rechnen ist wie folgt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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839,80 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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775,20 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.635,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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310,65 EUR |
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Gesamt |
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1.945,65 EUR |
Beispiel 2
In einem Rechtsstreit über 10.000,00 EUR erklärt der Beklagte die Hilfsaufrechnung mit einer Gegenforderung in Höhe von 18.000,00 EUR, die der Kläger wiederum bestreitet. Das Gericht geht von der Existenz beider Forderungen aus und weist die Klage daher ab.
Der Streitwert beträgt auch jetzt nur 20.000,00 EUR (10.000,00 EUR Klageforderung + 10.000,00 EUR Aufrechnungsforderung). Der weitergehende Teil der Aufrechnungsforderung i.H.v. 8.000,00 EUR bleibt wertmäßig außer Ansatz, da hierüber keine der Rechtskraft fähige Entscheidung ergeht. Das Gericht benötigt von der Aufrechnungsforderung lediglich 10.000,00 EUR, um die Klageforderung zu Fall zu bringen.
Abzurechnen ist daher ebenso wie im vorangegangen Beispiel.
II. Vergleich über Hilfsaufrechnungsforderung
Beispiel 3
In einem Rechtsstreit über 10.000,00 EUR erklärt der Beklagte die Hilfsaufrechnung mit einer Gegenforderung in Höhe von 10.000,00 EUR, die der Kläger wiederum bestreitet. Im Termin zur mündlichen Verhandlung erzielen die Parteien eine Einigung auch über die Gegenforderung.
Wie ist abzurechnen?
III. Der Streitwert
Hilfsaufrechnung als solche führt noch nicht zu einer Erhöhung des Gegenstandswerts
Zunächst einmal gilt es, den Streitwert zu ermitteln. Die Hilfsaufrechnung als solche führt nach ganz überwiegender Rspr. noch nicht zu einer Erhöhung des Gegenstandswerts der anwaltlichen Tätigkeit (OLG Hamm AGS 2007, 254 = OLGR 2007, 194 = JurBüro 2007, 204 = MDR 2007, 618 = RVGreport 2007, 237). Sie lässt den Wert vielmehr unberührt.
Erst dann, wenn eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über die Hilfsaufrechnung ergeht, führt dies nach § 45 Abs. 3 GKG zur Erhöhung des Streitwerts.
Ergeht keine Entscheidung, schließen die Parteien aber einen Vergleich auch über die Hilfsaufrechnungsforderung, tritt die gleiche Werterhöhung ein wie im Falle einer Entscheidung (§ 45 Abs. 4 GKG/§ 38 Abs. 4 FamGKG).
IV. Die Gebühren
Der Anwalt erhält also im Falle eines Vergleichs auch über die Hilfsaufrechnung die 1,3-Verfahrengsgebühr und auch die 1,2-Terminsgebühr aus den zusammengerechneten Werten von Klage- und Aufrechnungsforderung. Darüber hinaus erhält er aus dem vollen Wert auch eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV.
Aus Hilfsaufrechnung entsteht volle 1,5-Einigungsgebühr
Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass nur die Klageforderung anhängig ist, nicht auch die Hilfsaufrechnungsforderung (BGH MDR 1995, 349). Dies hat zur Folge, dass aus dem Wert der Klageforderung nur die 1,0-Einigungsgebühr nach Nr. 1003 VV anfällt, während es aus dem Wert der Hilfsaufrechnungsforderung bei der vollen 1,5-Einigungsgebühr verbleibt (OLG Hamm JurBüro 1999, 470; AnwK-RVG/Onderka/N. Schneider, 6. Aufl. 2012, Nr. 1000 Rn 171).
V. Lösung
Ausgehend hiervon ist daher im Beispiel 3 wie folgt zu rechnen:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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839,80 EUR |
2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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775,20 EUR |
3. |
1,0-Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1003 VV |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
486,00 EUR |
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4. |
1,5-Einigungsgebühr, Nr. 1000 VV |
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(Wert: 10.000,00 EUR) |
729,00 EUR |
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gem. § 15 Abs. 3 RVG nicht mehr als |
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1,5 aus 20.000,00 EUR |
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969,00 EUR |
5. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
2.604,00 EUR |
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6. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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494,76 EUR |
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Gesamt |
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3.098,76 EUR |