Gesonderte Gebühren für Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels

In Teil 2 Abschnitt 1 VV enthält das RVG gesonderte Gebühren für die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels, die in der Praxis allzu oft nicht abgerechnet werden, obwohl diese Tätigkeit im Rahmen der Rechtsschutzversicherung mitversichert ist.

Der Anwalt erhält danach die Gebühren nach den Nrn. 2100 ff. VV. Es handelt sich – wie sich aus der Einordnung in Teil 2 VV ergibt – um eine außergerichtliche Tätigkeit.

Noch kein unbedingter Prozessauftrag

Dem Anwalt darf allerdings noch kein unbedingter Prozessauftrag für das Rechtsmittelverfahren erteilt worden sein. Anderenfalls wird seine Tätigkeit durch die entsprechenden Verfahrensgebühren des Rechtsmittelverfahrens nach Teil 3 VV erfasst, die auch eine Prüfung der Erfolgsaussicht mit abgelten (Vorbem. 3 Abs. 2 VV; § 19 Abs. 1 S. 1 RVG).

Gesonderte Gebühren entstehen auch bei bedingtem Rechtsmittelauftrag

Anzuwenden ist Teil 2 Abschnitt 1 VV auch dann, wenn der Mandant dem Anwalt bereits den Auftrag zur Einlegung und Durchführung des Rechtsmittels für den Fall erteilt hat, dass der Anwalt zu dem Ergebnis komme, es bestehe Aussicht auf Erfolg. Insoweit liegt nur ein bedingter Rechtsmittelauftrag vor, der erst mit dem Eintritt der Bedingung (positives Prüfungsergebnis) wirksam wird (§ 158 Abs. 1 BGB). Soweit der Anwalt vom Rechtsmittel abrät, kommt mangels Bedingungseintritts der Rechtsmittelauftrag nicht zustande, sodass es bei der Vergütung nach den Nrn. 2100 ff. VV verbleibt. Kommt der Anwalt dagegen zu einem positiven Prüfungsergebnis, wird der Rechtsmittelauftrag wirksam, sodass hierdurch die Verfahrensgebühr des jeweiligen Rechtsmittels entsteht. Die Prüfungsgebühr ist dann auf die Gebühr des Rechtsmittelverfahrens anzurechnen (Anm. zu Nr. 2100 VV, Anm. zu Nr. 2102 VV).

Vergütung entsteht auch für den vorinstanzlich tätigen Anwalt

Ob der mit der Prüfung beauftragte Anwalt im vorangegangenen Verfahren bereits als Verfahrensbevollmächtigter beauftragt war, ist – im Gegensatz zu der Vorgängervorschrift des § 20 Abs. 2 BRAGO – unerheblich. Die Gebühren nach den Nrn. 2100 ff. VV können insbesondere auch dann anfallen, wenn die Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels durch den vorinstanzlichen Prozessbevollmächtigten erfolgt (OLG Düsseldorf AGS 2006, 482 = JurBüro 2006, 635 = OLGR 2007, 294 = RVGreport 2007, 67 = VRR 2007, 77; LG Berlin AGS 2006, 73 m. Anm. N. Schneider; AnwK-RVG/N. Schneider, Nr. 2100 Rn 6; a.A. KG AGS 2006, 433 m. abl. Anm. N. Schneider).

Prüfungsergebnis ist unerheblich

Ebenso ist es unerheblich, zu welchem Prüfungsergebnis der Anwalt gelangt und ob das Rechtsmittel nach der Prüfung eingelegt wird oder nicht.

Keine Prozesskostenhilfe

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Prüfungstätigkeit kommt nicht in Betracht (BGH AGS 2007, 360 m. Anm. Schons = AnwBl 2007, 634 = RVGreport 2007, 353 = FamRZ 2007, 1088 = Rpfleger 2007, 476 = MDR 2007, 1032 = JurBüro 2007, 436 = NJW-RR 2007, 1439 = FuR 2007, 316 = FamRB 2007, 267).

Beratungshilfe ist möglich

Wohl kann insoweit Beratungshilfe beantragt werden (OLG Düsseldorf AGS 2005, 567 m. Anm. Schons; OLG Düsseldorf AnwBl 2005, 656).

Rechtsschutzversicherung deckt auch Prüfungstätigkeit

Soweit das Mandat rechtsschutzversichert ist, besteht auch für die Prüfungstätigkeit Versicherungsschutz. Dieser sollte rechtzeitig beantragt werden.

Hinsichtlich der abzurechnenden Gebühren ist auch bei der Prüfung der Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels danach zu differenzieren,

ob sich die Gebühren nach dem Gegenstandswert richten (§§ 2 Abs. 1, 3 Abs. 1 S. 2 RVG) – dann gelten die Nrn. 2100, 2101 VV; oder
ob sich die Gebühren nach dem Betragsrahmen richten (§ 3 Abs. 1 S. 1 RVG; Teil 4 bis 6 VV) – dann gelten die Nrn. 2102, 2103 VV.

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