Leitsatz
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Abschluss eines Vergleichs auch über nicht anhängige Gegenstände erfordert grundsätzlich eine ausdrückliche Erstreckung der Prozesskostenhilfe auf die mitverglichenen Gegenstände.
OVG Saarlouis, Beschl. v. 8.1.2013 – 1 D 332/12
1 I. Der Fall
Die Klägerin hatte vor dem VG Klage erhoben. Für dieses Verfahren war ihr Prozesskostenhilfe bewilligt worden.
Parteien haben schriftlichen Vergleich mit Mehrwert geschlossen
Das VG hat sodann einen schriftlichen Vergleich vorgeschlagen, den beide Parteien schriftsätzlich angenommen haben. Dieser Vergleich beinhaltete neben den anhängigen Gegenständen auch weitere nicht anhängige Gegenstände.
Landeskasse lehnt weitere Gebühren aus dem Mehrwert ab
Nach Abschluss des Verfahrens rechnete der beigeordnete Anwalt seine Vergütung gegenüber der Landeskasse auch aus dem Mehrwert des Vergleichs ab. Diese weiteren Gebühren wurden abgesetzt. Die hiergegen erhobene Beschwerde blieb erfolglos.
2 II. Die Entscheidung
Umfang der Beiordnung richtet sich nach gerichtlichem Beschluss
Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe richtet sich nach den Beschlüssen des Gerichts (§ 48 Abs. 1 RVG). Dabei erstreckt sich die Bewilligung der Prozesskostenhilfe – soweit nichts anderes vom Gericht angeordnet worden ist – auf sämtliche zum Zeitpunkt des Prozesskostenhilfeantrags anhängigen Gegenstände, aber auch nur auf diese Gegenstände.
Beiordnung für Mehrwert muss ausgesprochen werden
Wird ein Vergleich mit einem Mehrwert geschlossen, dann bedarf es einer ausdrücklichen Erstreckung der Prozesskostenhilfe auch auf diesen Mehrwert. Die Feststellung, dass sich die Prozesskostenhilfe auch auf den Mehrwert erstreckt, ist beim Gericht, vor dem der Vergleich geschlossen wird, zu beantragen. Der Antrag muss grundsätzlich vor oder bei Abschluss des Vergleichs gestellt werden. Eine nachträgliche Antragstellung ist grundsätzlich nicht zulässig.
3 III. Der Praxistipp
Die Entscheidung ist zutreffend. Wird ein Vergleich mit Mehrwert geschlossen, so muss spätestens bei Abschluss des Vergleichs die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Mehrwert beantragt werden.
Beiordnung erstreckt sich nur im Fall des § 48 Abs. 3 RVG auf den Mehrwert
Etwas anderes gilt nur im Falle des § 48 Abs. 3 RVG. Hier erstreckt sich ausnahmsweise kraft Gesetzes die für ein Verfahren bewilligte Verfahrenskostenhilfe auch auf den Abschluss eines Vergleichs über nicht anhängige Gegenstände, sofern diese im Katalog des § 48 Abs. 3 RVG enthalten sind.
Auch für sonstige Erweiterungen ist gesonderte Beiordnung erforderlich
Auch bei sonstigen Erweiterungen des Streit- oder Verfahrensgegenstands (Klageerweiterung, Widerklage etc.) ist eine gesonderte Antragstellung zur Erstreckung der Prozess- bzw. Verfahrenskostenhilfe erforderlich. Wird hier nicht rechtzeitig die Bewilligung und Beiordnung beantragt, sind diese Gegenstände nicht von der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe erfasst. Eine nachträgliche Bewilligung kommt grundsätzlich nicht in Betracht.