Leitsatz
Ist der Pflichtverteidiger nach Inkrafttreten des 2. KostRMoG beauftragt worden, so richtet sich seine Vergütung gem. § 60 Abs. 1 S. 1 RVG auch dann nach den neuen Gebührenbeträgen, wenn er bereits vor Inkrafttreten des 2. KostRMoG als Wahlverteidiger beauftragt war.
OLG Nürnberg, Beschl. v. 30.12.2014 – 2 AR 36/14
1 I. Der Fall
Der Antragsteller war zunächst aufgrund Vollmacht vom 4.3.2013 als Wahlverteidiger des Angeklagten in einem gegen diesen geführten Ermittlungsverfahren beauftragt. Der Antragsteller ist sodann für den Angeklagten auch noch als Wahlverteidiger in der am 16.7.2013 begonnenen und sogleich wieder ausgesetzten Hauptverhandlung aufgetreten. Am 17.10.2013 wurde der Antragsteller dem Angeklagten schließlich als Pflichtverteidiger bestellt und nahm als solcher an der neuen Hauptverhandlung teil. Nach Abschluss des Verfahrens beantragte der Antragsteller wegen des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit des Verfahrens über die üblichen Gebühren hinaus gem. § 51 Abs. 1 RVG eine Pauschvergütung von 25.000,00 EUR.
Für die Bewilligung einer Pauschvergütung ist ein Vergleich mit den gesetzlichen Gebühren erforderlich
Da nur ein Vergleich mit seinem gesetzlichen Gebührenanspruch die Bewertung zulässt, ob dem Pflichtverteidiger eine zusätzliche Vergütung gewährt werden muss (OLG Stuttgart Rpfleger 2014, 692), hatte das Gericht in diesem Zusammenhang zunächst einmal die gesetzlichen Gebühren festzustellen. Dabei stellte sich die Frage, nach welchem Recht sich die Pflichtverteidigervergütung berechnet. Das OLG hat für die Pflichtverteidigervergütung auf die Gebührenbeträge i.d.F. des 2. KostRMoG abgestellt.
2 II. Die Entscheidung
Für die Pflichtverteidigervergütung ist der Tag der Bestellung maßgebend
Für die Frage der anwendbaren Gebührensätze der Pflichtverteidigervergütung ist gem. § 60 Abs. 1 S. 1 RVG der Stichtag der Bestellung maßgeblich (vgl. auch BVerfG AGS 2009, 66). Die Bestellung des Antragstellers erfolgte am 17.10.2013, also nach Inkrafttreten des 2. KostRMoG am 1.8.2013 (vgl. dort Art. 50) und der damit verbundenen Anhebung der Gebührenbeträge. Folglich gelten bereits die Gebührenbeträge nach der geänderten Fassung des RVG.
Vorherige Wahlanwaltstätigkeit ist unerheblich
Unerheblich ist insoweit, dass der Antragsteller bereits vor der Gesetzesänderung als Wahlverteidiger tätig war. Nach § 48 Abs. 6 S. 1 RVG erhält der im ersten Rechtszug als Pflichtverteidiger bestellte Rechtsanwalt die (Pflichtverteidiger-)Gebühren auch für seine Tätigkeit vor dem Zeitpunkt der Bestellung einschließlich seiner Tätigkeit vor Erhebung der öffentlichen Klage. Für die Frage der Anwendung des § 60 Abs. 1 S. 1 RVG auf derartige Fälle hat sich der Senat der in Übereinstimmung mit der Gesetzesbegründung stehenden (vgl. BT-Drucks 15/1971, S. 203 zu § 60), in der Rspr. der Oberlandesgerichte und in der Lit. nahezu einhellig vertretenen Meinung (vgl. die Nachweise bei Volpert, in: Burhoff, RVG. Teil A Rn 1941) angeschlossen, wonach es auch hier entscheidend auf den Zeitpunkt der Bestellung als Pflichtverteidiger ankommt (vgl. Beschl. v. 11.10.2014 – 2 Ws 526/14; anders noch – zur Frage der Weitergeltung der BRAGO gem. § 61 Abs. 1 RVG – OLG Nürnberg RVGreport 2005, 304 = NStZ-RR 2005, 328).
3 III. Der Praxistipp
Die Entscheidung entspricht der h.M. Siehe zuletzt AG Pirmasens AGS 2014, 232.
Wahlanwaltsvergütung bleibt beim alten Recht
Soweit der Anwalt aufgrund seiner vorherigen Tätigkeit als Wahlverteidiger die Wahlanwaltsvergütung vom Auftraggeber fordern kann, bleibt es allerdings bei den alten Beträgen vor Inkrafttreten des 2. KostRMoG.
AGKompakt 4/2015, S. 38