Einigungsgebühr auch bei Beratung möglich
Dass auch anlässlich einer bloßen Beratung der Anwalt eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr verdienen kann, ist einhellige Rspr. (zuletzt AG Neumünster AGS 2011, 475 = zfs 2011, 406), gleichwohl aber doch vielfach nach wie vor unbekannt.
Soweit die Gebühren gem. § 2 Abs. 1 RVG nach dem Gegenstandswert abzurechnen sind, richtet sich die Einigungs- oder Erledigungsgebühr nach dem Wert der Gegenstände, über die eine Einigung oder Erledigung erzielt worden ist.
Einigungsgebühr in Höhe der halben Schwellengebühr
Richten sich die Gebühren gem. § 3 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 RVG nicht nach dem Gegenstandswert, sondern nach Betragsrahmen, gilt Anm. Abs. 1 S. 4 zu Nr. 1005 VV: Der Anwalt erhält eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr in Höhe der halben Schwellengebühr (Anm. zu Nr. 2302 VV).
Beispiel
Der Anwalt ist beauftragt, den Mandanten in einer (nicht anhängigen) sozialrechtlichen Angelegenheit zu beraten. Aufgrund der Beratung kommt es zu einer Einigung. Angemessen sei für die Beratung eine Gebühr in Höhe von 190,00 EUR.
Neben der Beratungsgebühr entsteht jetzt eine Erledigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1005 VV, und zwar i.H.v. 150,00 EUR (Anm. Abs. 1 S. 4 zu Nr. 1005 VV).
1. |
Beratungsgebühr, § 34 Abs. 1 S. 2, 3 RVG i.V.m. § 612 BGB |
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190,00 EUR |
2. |
Einigungsgebühr, Nrn. 1000, 1005 VV |
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150,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
360,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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68,40 EUR |
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Gesamt |
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428,40 EUR |
Einigung bei Rechtshängigkeit ist nicht geregelt
Nicht geregelt ist dagegen der Fall, dass anlässlich eines gerichtlichen Verfahrens beraten wird. Dass solche Fälle in der Praxis vorkommen, belegt die jüngste – zu Zivilsachen – ergangene Entscheidung des OLG Celle (AGS 2014, 150 = RVGreport 2014, 115 = NJW-Spezial 2014, 189; siehe auch LG Berlin AGS 2008, 515 = RVGreport 2008, 268).
Beispiel
Der Mandant führt den Rechtsstreit vor dem Sozialgericht selbst. Als ihm ein Einigungsangebot unterbreitet wird, beauftragt er den Anwalt, ihn insoweit zu beraten. Der Anwalt berät den Mandanten dahingehend, dass er das Vergleichsangebot annehmen sollte.
Auch hier liegt nur ein Beratungsmandat vor. Es entsteht mangels Vereinbarung nur die Beratungsgebühr nach § 34 Abs. 1 RVG sowie eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV.
Anzuwenden wäre an sich Nr. 1006 VV. Danach wird auf die Verfahrensgebühr Bezug genommen. Eine Verfahrensgebühr ist aber nicht entstanden, da lediglich beraten worden ist. Nun könnte man auf eine "fiktive" Verfahrensgebühr abstellen, also auf die Verfahrensgebühr, die angefallen wäre, wenn der Anwalt Verfahrensbevollmächtigter gewesen wäre. Das würde aber wohl der Intention des Gesetzgebers widersprechen, der eine Einigungsgebühr im Falle der Beratung nicht an eine fiktive Geschäfts- oder Verfahrensgebühr anknüpfen wollte. Es ist daher wohl davon auszugehen, dass diese Regelungslücke durch eine analoge Anwendung der Anm. Abs. 1 S. 4 zu Nr. 1005 VV zu schließen ist und dass man hier ebenfalls eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr in Höhe der halben Schwellengebühr annimmt. Abzurechnen wäre danach wie im vorangegangenen Beispiel.
AGKompakt 7/2014, S. 75