Einführung
1. Der Umfang der Akte zum Zeitpunkt der ersten Akteneinsicht ist ein wesentliches Indiz für den Aufwand bei der erstmaligen Einarbeitung in den Rechtsfall.
2. Ein Aktenumfang von zwölf Seiten ist als sehr gering einzustufen und führt zu einer die Mittelgebühr unterschreitenden Grundgebühr Nr. 5100 VV.
LG Düsseldorf, Beschl. v. 12.5.2017 – 61 Qs 5/17
I. Der Fall
Der vormals Betroffene hatte die Festsetzung der ihm im Bußgeldverfahren entstandenen Verteidigerkosten beantragt. Geltend gemacht hatte er eine Mittelgebühr i.H.v. 85,00 EUR. Anzuwenden war noch das RVG i.d.F. vor Inkrafttreten des 2. KostRMoG. Das Gericht hat die Grundgebühr herabgesetzt und lediglich 50,00 EUR berücksichtigt.
II. Entscheidung
Auszugehen ist grundsätzlich von der Mittelgebühr
Grundsätzlich ist auch im Falle einer durchschnittlichen Ordnungswidrigkeit hinsichtlich der Grundgebühr von der Mittelgebühr auszugehen. Im Einzelfall kann ein höherer oder niedrigerer Betrag angemessen sein. Im zugrundeliegenden Fall erachtet die Kammer den Ansatz einer Mittelgebühr allerdings für unangemessen.
Akteninhalt ist wesentliches Indiz für den Umfang
Wesentliches Indiz für den Aufwand der Einarbeitung in den Rechtsfall ist der Umfang der Akte, der zum damaligen Zeitpunkt lediglich zwölf Blatt betrug (einschließlich eines zweiseitigen Übersendungsschreibens). Der Aktenumfang war daher äußerst gering.
Studium der Bedienungsanleitung wird durch Verfahrensgebühr abgegolten
Die Tatsache, dass der Verteidiger auch Einsicht in die Bedienungsanleitung des Messgeräts begehrte, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Bedienungsanleitung ist kein Aktenbestandteil und damit auch nicht Gegenstand der ersten Akteneinsicht. Soweit die Durchsicht der Bedienungsanleitung im Rahmen der weiteren Bearbeitung der Sache Aufwand erfordert hat, ist dies im Rahmen der Verfahrensgebühr zu berücksichtigen.
Die Bedeutung der Sache ist auch denkbar gering gewesen. Tatvorwurf war lediglich ein Geschwindigkeitsverstoß mit einer Geldbuße von 80,00 EUR gewesen. Auch die Tatsache der Eintragung eines Punkts im Verkehrszentralregister rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.
III. Praxistipp
Grundgebühr deckt nur die erstmalige Einarbeitung ab
Die Grundgebühr entsteht für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall (Anm. Abs. 1 zu Nr. 5100 VV). Sie gilt also lediglich die erste Entgegennahme der Information und Sichtung des Sachverhalts und Verfahrensstoffes – je nach Zeitpunkt auch die Akteneinsicht – ab. Alle weiteren Tätigkeiten werden durch die übrigen Gebühren abgegolten.
Rahmengebühr
Die Grundgebühr beläuft sich in Bußgeldverfahren für den Wahlanwalt auf 30,00 EUR bis 170,00 EUR. Die Mittelgebühr beträgt 100,00 EUR. Nach der hier noch anzuwendenden Fassung des RVG bis zum 31.7.2013 (§ 60 RVG) betrug der Rahmen 20,00 EUR bis 150,00 EUR. Die Mittelgebühr belief sich auf 85,00 EUR.
Höhe der Grundgebühr richtet sich nach § 14 RVG
Auch die Grundgebühr unterliegt den Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG. Es gelten die gesamten Kriterien des § 14 Abs. 1 RVG. Hier wird man in der Tat dem Umfang der Akten eine entscheidende Bedeutung beimessen, da die Einarbeitung wesentlich vom bisherigen Akteninhalt abhängt. Schwierigkeiten können sich aber auch bereits bei der Einarbeitung ergeben. Diese müssten dann im Rahmen der Begründung der konkreten Gebühr vorgetragen werden.
AGKompakt 7/2017, S. 75