Einführung
Versorgungsausgleichsverfahren sind die einzige verbliebene Zwangsverbundsache. Wird die Scheidung der Ehe beantragt, ist gleichzeitig von Amts wegen das Verfahren auf Durchführung des Versorgungsausgleichs eingeleitet, ohne dass es eines gesonderten Antrags bedarf (§ 137 Abs. 2 Nr. 1 FamFG). Korrespondierend hierzu bedarf es auch keines gesonderten Antrags auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe und Beiordnung eines Anwalts. Vielmehr erfasst die Bewilligung und Beiordnung in der Ehesache auch automatisch die Bewilligung und Beiordnung für die Folgesache Versorgungsausgleich (§ 149 FamFG).
Einigung möglich trotz Amtsermittlungsgrundsatz
Auch wenn es sich um ein Verfahren handelt, in dem der Amtsermittlungsgrundsatz gilt, können die beteiligten Eheleute dennoch Vergleiche schließen und sich über die Durchführung des Versorgungsausgleichs einigen (§§ 6, 8 VersAusglG).
Wie die Praxis zeigt, besteht hier häufig Unklarheit, in welchen Fällen eine Einigungsgebühr anfällt. In der Regel stellen sich diese Probleme im Rahmen eines Vergütungsfestsetzungsverfahrens nach § 55 RVG auf Festsetzung der VKH-Vergütung des beigeordneten Anwalts. Die Vertreter der Landeskasse sind aus fiskalischen Gründen offenbar bestrebt, nach Möglichkeit eine Einigungsgebühr – zum Teil mit fadenscheinigen Gründen – abzulehnen. Der nachfolgende Beitrag soll eine Übersicht über die aktuelle Rechtsprechung geben.
I. Gesetzliche Regelung
Voraussetzungen der Einigungsgebühr
Eine Einigungsgebühr erhält der Anwalt, wenn er an einem Vertrag i.S.d. Nr. 1000 VV mitwirkt. Das wiederum setzt voraus, dass zwischen seinem Mandanten und dem gegnerischen Beteiligten
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ein Rechtsverhältnis besteht, |
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über dessen Bestehen oder Inhalt Streit oder Ungewissheit besteht, und |
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dieser Streit oder diese Ungewissheit durch |
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zumindest einseitiges Nachgeben beseitigt wird. |
Diese Voraussetzungen können auch problemlos in der Folgesache Versorgungsausgleich erfüllt werden. Zwischen den Beteiligten besteht ein Rechtsverhältnis, da nach § 1 Abs. 1 VersAusglG die in der Ehezeit erworbenen Anteile von Anrechte jeweils zur Hälfte zwischen den geschiedenen Ehegatten zu teilen sind.
Hier kann zum einen bereits die Ausgleichspflicht als solche streitig oder ungewiss sein (etwa bei der Frage, ob betriebliche Anwartschaften verfallbar sind oder nicht). Zum anderen kann über die Höhe der auszugleichenden Anwartschaften Streit oder Ungewissheit bestehen, etwa wenn die Beteiligten unterschiedliche Ansichten zur Berechnung vertreten. Abgesehen davon kann strittig sein, ob Ausschlussgründe greifen.
Ungeachtet dessen, dass es sich um ein Verfahren handelt, in dem der Amtsermittlungsgrundsatz gilt (§ 25 FamFG), können die Beteiligten sich einigen, dass abweichend von der gesetzlichen Regelung verfahren, also ausgeglichen werde.
Ebenso ist ein Nachgeben möglich, nämlich dann, wenn einer der Beteiligten auf seinen Ausgleichsanspruch oder einen Teil davon verzichtet.
II. Wechselseitiger Verzicht auf Durchführung des Versorgungsausgleichs
Wechselseitiger Verzicht löst Einigungsgebühr aus
Häufig lautet eine Einigung in der Folgesache Versorgungsausgleich dahingehend, dass die beteiligten Eheleute wechselseitig auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs verzichten und den Verzicht wechselseitig annehmen.
Nach der früheren Rechtslage wurde hier eine Einigung abgelehnt. Das beruhte darauf, dass nach der bis zum 31.8.2013 geltenden Rechtslage die wechselseitigen Ausgleichsansprüche saldiert wurden und es per Saldo nur einen einzigen Ausgleichsanspruch in einer Richtung gab. Der Verzicht auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs führte also faktisch dazu, dass nur ein beteiligter Ehegatte auf seinen Ausgleichsanspruch verzichtete und der andere diesen Verzicht annahm. Soweit dieser Verzicht nicht als Gegenleistung für andere Dinge (etwa Unterhaltsansprüche) gewährt wurde, war somit von einem einseitigen Verzicht auszugehen. Die Rechtsprechung hat in diesen Fällen daher überwiegend eine Einigungsgebühr abgelehnt (OLG Karlsruhe AGS 2007, 135 = OLGR 2007, 72 = NJW 2007, 1072 = FamRZ 2007, 843; OLG Stuttgart JurBüro 2006, 639 = FamRZ 2007, 232 = MDR 2007, 304 = NJW 2007, 1072; a.A. Einigungsgebühr auch nach alter Rechtslage: OLG Nürnberg AGS 2007, 134 = MDR 2007, 181 = FamRZ 2007, 573= NJW 2007, 1071; AG Nürnberg RVGprof. 2006, 130).
Nach derzeitiger Rechtslage liegt dagegen ein wechselseitiger Verzicht vor, so dass damit eine Einigungsgebühr anfällt (zuletzt OLG Düsseldorf AGS 2013, 514 = FamRZ 2013, 1422 = FamFR 2013, 62; OLG München AGS 2012, 174 = NJW 2012, 1089 = MDR 2012, 495 = JurBüro 2012, 193 = Rpfleger 2012, 354 = FamRZ 2012, 1580 = NJW-Spezial 2012, 123 = FamFR 2012, 131 = RVGreport 2012, 103; OLG Hamm AGS 2012, 137 = RVGprof. 2011, 191 = RVGreport 2011, 424).
Der Gegenstandswert richtet sich in diesem Fall nach dem vollen Verfahrenswert der Folgesache Versorgungsausgleich, der sich nach § 50 FamGKG bestimmt (OLG München AGS 2011, 389 = FamRZ 2011, 1813 = RVGreport 2011, 313; OLG Düsseldorf AGS 2010, 398 = FamRZ 2010, 2102 = JurBüro 2011, 259 = RVGreport 2010, 397). Anzusetzen sind ...