Leitsatz
Der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt hat gegen die Landeskasse auch dann einen Anspruch auf Festsetzung der Umsatzsteuer, wenn die von ihm vertretene bedürftige Partei zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
OLG Braunschweig, Beschl. v. 7.8.2017 – 2 W 92/17
1 Der Fall
Der Anwalt hatte in einem selbstständigen Beweisverfahren eine GmbH vertreten, die im Laufe des Verfahrens in Insolvenz gefallen war. Der Insolvenzverwalter hatte sodann die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt. Das Gericht hat die Prozesskostenhilfe bewilligt und den bisherigen Anwalt beigeordnet. Nach Abschluss des Verfahrens beantragte der Anwalt die Festsetzung seiner Vergütung gegen die Landeskasse, und zwar einschließlich Umsatzsteuer. Das LG hat die Umsatzsteuer abgesetzt. Der hiergegen erhobenen Erinnerung hat das LG nicht abgeholfen. Auf die Beschwerde des Anwalts hat das OLG antragsgemäß festgesetzt.
2 Die Entscheidung
Umsatzsteuer gehört zur gesetzlichen Vergütung
Der Beschwerdeführer hat als beigeordneter Prozessbevollmächtigter gegen die Landeskasse einen Anspruch auf die gesetzliche Vergütung (§ 45 ff. RVG). Hierzu zählt nach Nr. 7008 VV auch die Umsatzsteuer. Mit der Beiordnung wird zwischen dem Hoheitsträger, der die Beiordnung vorgenommen hat und dem beigeordneten Rechtsanwalt ein öffentlich-rechtliches Schuldverhältnis begründet.
Vorsteuerabzug ist irrelevant
Die Landeskasse tritt damit als Vergütungsschuldner an die Stelle der bedürftigen Partei. Hinsichtlich der gegen die Landeskasse nach § 55 RVG bestehenden Vergütungsansprüche kommt es deshalb zutreffender Weise nicht darauf an, ob die bedürftige Partei zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
3 Praxistipp
Entscheidung entspricht h.M.
Die Entscheidung ist zutreffend. Ebenso entschieden haben
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OLG Düsseldorf (AGS 2016, 485 = JurBüro 2016, 580 = Rpfleger 2017, 96), |
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OLG Hamburg (AGS 2013, 428 = MDR 2013, 1194 = RVGreport 2013, 348 = NJW-Spezial 2013, 572); |
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OLG München (AGS 2016, 528 = JurBüro 2016, 632 = zfs 2017, 227 = NJW-Spezial 2016, 699 = RVGreport 2016, 456 = FamRZ 2017, 392). |
Gegenteilige Auffassung OLG Celle
Die gegenteilige Auffassung des OLG Celle (AGS 2014, 80 = MDR 2013, 1434 = JurBüro 2014, 31 = RVGreport 2014, 20 = NJW-Spezial 2014, 315) ist abzulehnen.
Anders, wenn erst gar keine Umsatzsteuer anfällt
Nicht zu verwechseln ist die Frage der Vorsteuerabzugsberechtigung mit der Frage, ob die Tätigkeit des Anwalts umsatzsteuerpflichtig ist. Ist sie das nicht, dann kann der Anwalt aus der Landeskasse auch keine Umsatzsteuer verlangen (OVG Berlin-Brandenburg AGS 2016, 26 = NVwZ-RR 2016, 157 = JurBüro 2016, 81 = RVGreport 2016, 65 = NJW-Spezial 2016, 60).
Beispiel
Der Anwalt vertritt die bedürftige Partei, die ihren Wohnsitz in der Schweiz hat. Das Gericht bewilligt ihr Prozesskostenhilfe.
Da die bedürftige Partei ihren Wohnsitz in der Schweiz und damit außerhalb des EU-Gebiets hat, ist folglich die Tätigkeit des Anwalts umsatzsteuerfrei (§ 3a Abs. 4 Nr. 3 UstG). Er kann daher auch aus der Landeskasse keine Umsatzsteuer verlangen.
AGKompakt, S. 86