Prüfungsgebühr richtet sich nach dem vollen Wert, Verfahrensgebühr nach dem beschränkten Wert

War dem Anwalt zuvor ein unbeschränkter Auftrag zur Prüfung der Erfolgsaussicht des gesamten Rechtsmittels erteilt worden und hat er im Rahmen dieses Auftrags vom umfassenden Rechtsmittel abgeraten, so dass das Rechtsmittel auch nur in dem beschränkten Umfang durchgeführt wird, fallen im Berufungsverfahren dieselben Gebühren an.

In diesem Fall ist allerdings für die Prüfung eine gesonderte Vergütung angefallen, nämlich eine Prüfungsgebühr nach Nr. 2100 VV nebst Auslagen und Umsatzsteuer. Diese Prüfungsgebühr der Nr. 2100 VV ist aus dem vollen Wert zu berechnen, da der Auftrag ja dahin ging, die Erfolgsaussicht eines unbeschränkten Rechtsmittels zu prüfen. Diese Prüfungsgebühr ist dann im Berufungsverfahren nach Anm. zu Nr. 2100 VV anzurechnen, allerdings nur aus dem Wert, nach dem die Berufung durchgeführt wird. Im Übrigen ist die Prüfungsgebühr anrechnungsfrei.

 

Beispiel 2

Der Antragsgegner ist erstinstanzlich zur Zahlung von 50.000,00 EUR verurteilt worden. Er beauftragt den Anwalt zu prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit eine Berufung Aussicht auf Erfolg hat. Der Anwalt prüft und rät, wegen der über 20.000,00 EUR hinausgehenden Verurteilung, also wegen 30.000,00 EUR, Berufung einzulegen, was dann auch geschieht. Über die Berufung wird mündlich verhandelt.

Zunächst erhält der Anwalt eine Prüfungsgebühr nach Nr. 2100 VV aus dem Gesamtwert von 50.000,00 EUR. Die nachfolgenden Gebühren für das Berufungsverfahren berechnen sich lediglich nach dem Wert von 30.000,00 EUR. Nur aus diesem Wert ist dann die Prüfungsgebühr gem. Anm. zu Nr. 2100 VV anzurechnen.

 
I. Prüfung der Erfolgsaussicht
1. 0,75-Prüfungsgebühr, Nr. 2100 VV   872,25 EUR
  (Wert: 50.000,00 EUR)    
2. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 892,25 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   169,53 EUR
Gesamt 1.061,78 EUR
II. Berufungsverfahren
1. 1,6-Verfahrensgebühr, Nr. 3200 VV   1.380,80 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
2. gem. Anm. zu Nr. 2100 VV anzurechnen,   – 647,25 EUR
  0,75 aus 30.000,00 EUR    
3. 1,2-Terminsgebühr, Nr. 3202 VV   1.035,60 EUR
  (Wert: 30.000,00 EUR)    
4. Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.789,15 EUR  
5. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV   339,94 EUR
Gesamt 2.129,09 EUR

Ebenso abzurechnen ist bei einem unbedingten Prüfungsauftrag, verbunden mit einem bedingten Rechtsmittelauftrag im Rahmen der Erfolgsaussicht (LG Köln AGS 2012, 385 = NJW-RR 2012, 1471 = NJW-Spezial 2012, 571).

 

Beispiel 3

Der Antragsgegner ist erstinstanzlich zur Zahlung von 50.000,00 EUR verurteilt worden. Er beauftragt den Anwalt zu prüfen, ob und gegebenenfalls inwieweit eine Berufung Aussicht auf Erfolg hat; soweit er eine Erfolgsaussicht sieht, soll er die Berufung auch einlegen und durchführen. Der Anwalt bejaht nach seiner Prüfung die Erfolgsaussicht i.H.v. 30.000,00 EUR und legt in diesem Umfang die Berufung ein, über die anschließend verhandelt wird.

Aufgrund des unbedingten umfassenden Prüfungsauftrags ist die Prüfungsgebühr der Nr. 2100 VV aus dem Wert von 50.000,00 EUR angefallen. Mit Bejahung der Erfolgsaussicht i.H.v. 30.000,00 EUR ist die Bedingung für den Folgeauftrag zur Berufung eingetreten (§ 158 BGB), allerdings nur in diesem beschränkten Umfang. Abzurechnen ist daher wie im vorangegangenen Beispiel 2.

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