Schneider/Volpert, AnwaltKommentar RVG, RVG VV 2100 / VIII. Anrechnung (Anm. zu VV 2100)

Rz. 40

Nach Anm. zu VV 2100 ist die Prüfungsgebühr nach VV 2100 auf eine Gebühr für das Rechtsmittelverfahren anzurechnen. Gemeint sein kann hier nur, dass auf eine Verfahrensgebühr anzurechnen ist. Keinesfalls kann auf sonstige Gebühren, etwa auf Termins- oder Einigungsgebühren angerechnet werden. Dies würde dem allgemeinen Anrechnungssystem widersprechen.

Rz. 41

Der Anwalt muss im nachfolgenden Rechtsmittelverfahren nicht Verfahrensbevollmächtigter sein. Anzurechnen ist z.B. auch auf die Verfahrensgebühr des Verkehrsanwalts oder Terminsvertreters im Rechtsmittelverfahren.

Rz. 42

Angerechnet wird nur auf die Gebühren eines Verfahrens, über dessen Erfolgsaussicht der Anwalt auch beraten hat.

Rz. 43

Berät der Anwalt über die Erfolgsaussicht eines Rechtsmittels und kommt er zu dem Ergebnis, dass dieses Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat, und wird daraufhin ein anderes Rechtsmittel eingelegt, so wird nicht angerechnet.

Beispiel 1: Eingeklagt werden 10.000 EUR. Der Beklagte erkennt 5.000 EUR an. Das Gericht weist die Klage im Übrigen ab und legt die gesamten Kosten dem Kläger auf, da es von einem kostenbefreienden Anerkenntnis nach § 93 ZPO ausgeht. Der Kläger beauftragt daraufhin seinen Anwalt, die Erfolgsaussicht einer Berufung zu prüfen. Der Anwalt rät jedoch von der Berufung ab. Er empfiehlt allerdings eine sofortige Beschwerde nach § 99 Abs. 1 ZPO gegen die Kostenentscheidung einzulegen, da das Gericht die Voraussetzungen des § 93 ZPO zu Unrecht angenommen habe. Der Anwalt erhält entsprechenden Auftrag zum Beschwerdeverfahren.

Für die Prüfung der Erfolgsaussicht erhält der Anwalt die Gebühr nach VV 2100. Eine Anrechnung auf die Gebühren des Beschwerdeverfahrens findet nicht statt, da das Rechtsmittel, über das der Anwalt beraten sollte, nämlich die Berufung, nicht eingelegt worden ist. Über die Erfolgsaussicht einer Beschwerde hatte der Anwalt nicht zu beraten, so dass insoweit also keine Anrechnung stattfindet. Der Anwalt erhält für die Kostenbeschwerde vielmehr die Gebühren nach VV 3500 anrechnungsfrei.

Rz. 44

Wird der Anwalt anschließend mit dem Rechtsmittelverfahren beauftragt, ist eine Anrechnung vorzunehmen. Keine Probleme ergeben sich, wenn die Werte von Beratung und Rechtsmittel identisch sind.

Beispiel 2: Gegen seine erstinstanzliche Verurteilung von 20.000 EUR will der Beklagte Berufung einlegen und lässt sich beraten, ob die Berufung Aussicht auf Erfolg hat. Der beauftragte Anwalt prüft dies und bejaht die Erfolgsaussicht, so dass ihm hiernach der Auftrag zur Berufung erteilt und diese auch durchgeführt wird.

Abzurechnen ist wie folgt:

I. Prüfung der Erfolgsaussicht (Wert: 20.000 EUR)

1.	0,75-Prüfungsgebühr, VV 2100		616,50 EUR
2.	Postentgeltpauschale, VV 7002		20,00 EUR
	Zwischensumme	636,50 EUR
3.	19 % Umsatzsteuer, VV 7008		120,94 EUR
Gesamt			757,44 EUR

II. Rechtsmittelverfahren

1.	1,6-Verfahrensgebühr, VV 3200		1.315,20 EUR
2.	gem. Anm. zu VV 2100 anzurechnen 0,75 aus 20.000 EUR		– 616,50 EUR
3.	1,2-Terminsgebühr, VV 3202		986,40 EUR
4.	Postentgeltpauschale, VV 7002		20,00 EUR
	Zwischensumme	1.675,10 EUR
5.	19 % Umsatzsteuer, VV 7008		318,27 EUR
Gesamt			1.993,37 EUR

Ist der Anwalt lediglich teilweise mit dem Rechtsmittel beauftragt, so findet analog VV Vorb. 3 Abs. 4 S. 3 auch nur nach dem entsprechenden Wert eine Anrechnung statt.

Beispiel 3: Wie Beispiel 2; der Anwalt rät jedoch lediglich zu einer Berufung in Höhe von 10.000 EUR, für die er dann auch den Auftrag erhält und die dann auch durchgeführt wird.

Abzurechnen ist wie folgt:

I. Prüfung der Erfolgsaussicht (Wert: 20.000 EUR)

1.	0,75-Prüfungsgebühr, VV 2100		616,50 EUR
2.	Postentgeltpauschale, VV 7002		20,00 EUR
	Zwischensumme	636,50 EUR
3.	19 % Umsatzsteuer, VV 7008		120,94 EUR
Gesamt			757,44 EUR

II. Rechtsmittelverfahren

(Wert: 10.000 EUR)

1.	1,6-Verfahrensgebühr, VV 3200		982,40 EUR
2.	gem. Anm. zu VV 2100 anzurechnen 0,75 aus 10.000,00 EUR		– 460,50 EUR
3.	1,2-Terminsgebühr, VV 3202		736,80 EUR
4.	Postentgeltpauschale, VV 7002		20,00 EUR
	Zwischensumme	2.261,10 EUR
5.	19 % Umsatzsteuer, VV 7008		429,61 EUR
Gesamt			2.690,71 EUR